1) Fruktose und Fruktosemalabsorption

Fruktose ist ein Einfachzucker (Monosaccharid), der auch Fruchtzucker genannt wird und kommt in wesentlichen Mengen in Obst, Obstsäften, Honig und dem Haushaltszucker Saccharose vor.

Daher ist die Fruktose in vielen Lebensmitteln enthalten und findet zudem auch immer mehr Verwendung als Süßungsmittel, vor allem in Produkten für Diabetiker. Die Fruktosemalabsorption bezeichnet eine Aufnahmestörung von Fruktose aus dem Dünndarm. Sie ist von der Fruktoseintoleranz zu unterscheiden, die auf einen angeborenen Mangel des Enzyms Fruktose-1-Phosphat-Aldolase zurückzuführen ist. Hingegen wird die Malabsorption durch ein defektes Transportsystem für Einfachzucker im Dünndarm ausgelöst, welches eine Aufnahme des Zuckers verhindert. Wird der Fruchtzucker nicht aus dem Dünndarm ins Blut aufgenommen, gelangt es in den Dickdarm und wird dort bakteriell zu kurzkettigen Fettsäuren, Kohlenstoffdioxid (CO2) und Wasserstoff (H2) verstoffwechselt.

Die Konzentrationen der Abbauprodukte können mitunter sehr hoch ausfallen und die Stoffe werden teilweise resorbiert (ins Blut aufgenommen) und abgeatmet. Da der Wasserstoff schon nach wenigen Minuten im Atmen nachweisbar ist, wird dies oft zur Feststellung einer Fruktosemalabsorption untersucht. Ein größeres Problem stellen aber der Kohlenstoffdioxid dar, da er Blähungen verursacht und die Fettsäuren, weil diese zu osmotischen Diarrhöen führen. Doch auch ohne diese typischen Symptome kann eine Fruktosemalabsorption vorliegen, da sie stark von der bakteriellen Besiedelung des Darms abhängen. Außerdem spielt auch der Ort des Abbaus eine große Rolle. Im Dünndarm gibt es eher wenige Bakterien und die Verstoffwechselungsprozesse werden schlechter vertragen als im Dickdarm.

2) Symptome

a) Allgemein

Bei den von der Fruktosemalabsorption betroffenen Menschen kommt es in circa 50 Prozent der Fälle zu Darmkrämpfen, Bauchschmerzen und osmotischer (konzentrationsbedingter) Diarrhö (Durchfall).

Das Krankheitsbild der Fruktosemalabsorption ähnelt dem des Reizdarmsyndroms und wird daher teilweise mit diesem verwechselt. Etwa 10 Prozent der Bevölkerung sollen unter dem Reizdarmsyndrom leiden, aber bei diesem konnte bisher kein struktureller oder biochemischer Defekt zur Erklärung gefunden werden. Die Anzeichen sind mehrheitlich Bauchschmerzen, vorzugsweise im linken oder rechten Unterbauch, Blähungen, zeitweises Auftreten von Bauchkrämpfen, auf Distanz hörbare Darmgeräusche, plötzlich einsetzender Stuhldrang, weiche Stühle oder Durchfall. Untersucht man bei diesem Krankheitsbild den Darm, werden in der Regel keine Auffälligkeiten festgestellt. In manchen Fällen findet sich eine leichte Rötung der Schleimhaut oder unspezifische Entzündungszeichen. Auf Grund der großen Ähnlichkeit dieser beiden Erkrankungen, konnte schon manch diagnostiziertes Reizdarmsyndrom durch eine Ernährung mit reduziertem Fruktosekonsum geheilt werden.

b) Depressionen

Psychische Ursachen werden oft als ein Auslöser für die Entstehung der Beschwerden beim Reizdarmsyndrom angesehen und auch bei der Fruktosemalabsorption lassen sich häufig psychische Veränderungen feststellen.

Dies wird durch Studien untermauert, die bei Erwachsenen und aktuell auch bei Kindern und Jugendlichen, eine signifikant höheres Auftreten von Depressionen bei vorliegender Fruktosemalabsorption feststellen konnten. Allerdings sind diese normalerweise auf einen Serotoninmangel („Glückshormon“) zurückzuführen, der vermutlich durch einen Mangel an der essentiellen Aminosäure Tryptophan zustande kommt. Es wird angenommen, dass diese Resorptionsstörung des Tryptophans mit der Fruktosemalabsorption einhergeht, da bei dieser eine signifikant geringere Blutkonzentration der Aminosäure nachgewiesen wurde.

Der Tryptophanmangel führt zu einer Verringerung der Serotoninsynthese, wodurch es zu Depressionen und Hunger auf Süßes kommt, da Kohlenhydrate (Zucker) den Insulinspiegel steigern. Das Hormon Insulin regelt nämlich neben dem Glukosehaushalt auch die Aufnahme von Tryptophan in das zentrale Nervensystem.

Dies geschieht über eine insulinbedingte vermehrte Aufnahme der neutralen Aminosäuren Leucin, Isoleucin und Valin in die Muskulatur. Diese Aminosäuren konkurrieren nämlich mit dem in geringer Konzentration vorliegenden Tryptophan um das Transportsystem der Blut-Hirn-Schranke. Durch die Entfernung der Konkurrenten aus dem Blut kann nun mehr Tryptophan in das Gehirn aufgenommen werden, wo es die Bildung des Serotonins anregt und eine Stimmungsaufhellung bewirkt. Dieser Mechanismus kann nun wiederum dazu führen, dass Menschen mit Fruktosemalabsorption vermehrt Fruktose konsumieren und sich die Stimmung dadurch noch mehr verschlechtert.

Durch die steigende Verwendung des Fruchtzuckers in der Industrie und der Verbreitung „zuckerfreier“ Nahrungsmittel hat sich die Aufnahme in unserer Gesellschaft stark erhöht, wodurch die Symptome der Betroffenen sich verstärken.

Auch der allgemein empfohlene hohe Obstverzehr führt hierbei zu einer Verschlechterung der depressiven Verstimmungen und kann durch eine Einschränkung der Zufuhr wesentlich verbessert werden, wie es auch eine Studie der Autoren belegt.

Liegen neben der Fruktosemalabsorption noch weitere Aufnahmestörungen von Kohlenhydraten (z.B. Laktosemalabsorption) vor, können sich die Depressionen und der Serotoninmangel noch verstärken.

Auch bei dem Reizdarmsyndrom treten diese Symptome auf und daher wird diese Erkrankung oft als eine psychosomatische (geistig-seelisch bedingt) angesehen.

Allerdings weisen die oben erwähnten Fakten viel mehr darauf hin, dass die psychischen Veränderungen nicht der Auslöser sondern eine Folge dieses Syndroms sind.

c) Vitamin- und Spurenelementmangel

Beim Vorliegen einer Fruktosemalabsorption findet sich häufig auch eine niedrige Konzentration an Folsäure (ein Vitamin) im Blut, was vor allem Patienten ab etwa fünfunddreißig Jahren betrifft.

Der Mechanismus hierfür ist noch nicht gefunden, aber es scheint wahrscheinlich, dass die malabsorptionsbedingte Veränderung der Darmflora dafür verantwortlich ist. Dies kommt durch die regelmäßige Anhäufung der Fruktose im Dickdarm zustande, was eine unübliche Besiedelung sehr wahrscheinlich macht.

Die Arten der Bakterien haben einen wesentlichen Einfluss auf die Aufnahme von Folsäure, was eine verminderte Versorgung erklären könnte. Ein Folsäuremangel soll im Zusammenhang mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen, sowie Brust- und Dickdarmkrebs stehen und bei Schwangeren zu Fehlbildungen des Nervensystems des Embryos führen.

Eine Fruktosemalabsorption soll auch ursächlich für Zinkmangelzustände sein, was eine erniedrigte Zinkkonzentration im Blut bei einer Studie zeigen konnte. Diese Untersuchung ergab weiterhin, dass sogar bei jedem Probanden mit einem Zinkmangel auch gleichzeitig eine Fruktoseresorptionsstörung vorlag. Dies scheint ein spezifisches Merkmal zu sein, da ähnliche Störungen (z.B. Laktoseintoleranz) kein vermehrtes Auftreten einer Unterversorgung mit Zink ergaben.

d) Small intestinal bacterial overgrowth syndrome (SIBOS)

Dieses Syndrom stellt eine massive Fehlbesiedelung des Dünndarms dar.

Durch die Blähungen, die sich bei einer Fruktosemalabsorption entwickeln, kommt es zu einer Drucksteigerung im Darm, wodurch eine Klappe zur Trennung von Dünn- und Dickdarm undicht werden kann und somit eine Verunreinigung des Dünndarms mit Dickdarmbakterien ermöglicht.

Auch die chronische Darmentzündung Morbus Crohn beginnt in den meisten Fällen in diesem Bereich des Darms und die sich bei der Klappenfehlfunktion hauptsächlich ausbreitenden Mikroorganismen stehen in Verdacht der Auslöser für entzündliche Gelenkerkrankungen zu sein.

Mit der Messung des Wasserstoffanstiegs im Atmungstest nach Glukose- oder Laktulosegabe (Laktulose ist ein künstlicher Zweifachzucker), kann SIBOS gut diagnostiziert werden, da bei den Betroffenen hierbei fast immer Beschwerden auftreten.

Somit finden sich also Hinweise darauf, dass die Fruktosemalabsorption, neben der vermehrten Bakterienaktivität im Dickdarm, im fortgeschrittenen Stadium auch zu einer Fehlbesiedelung des Dünndarms führen kann.

Daraus ergibt sich dem Anschein nach eine Entzündung, die allerdings nicht am Gewebe sichtbar wird, dafür aber zu einer chronischen Immunstimulation führt.

3) Diagnose und Differenzialdiagnosen

Diagnose

Die Diagnose wird üblicherweise durch einen Atemtest gestellt, bei dem der Gehalt an Wasserstoff (und Methan) in der Atemluft gemessen wird. Der Patient muss hierbei nüchtern erscheinen und bekommt eine Dosis von in Wasser gelöstem Fruchtzucker oral verabreicht.

Da das Ausmaß der Malabsorption dosisabhämgig ist, steigt die Anzahl positiver Belastungstest mit der aufgenommenen Menge an Fruchtzucker. Empfohlen wird eine Gabe von 25 g Fruktose in 250 ml Wasser, da diese der durchschnittlichen täglichen Zufuhr in Europa am ehesten entspricht.

Die Wasserstoffkonzentration wird alles halbe Stunde über den Zeitraum von mindestens zwei Stunden gemessen, wobei bei einem Anstieg auf mehr als zwanzig ppm (parts per million = ein Millionstel) über den Ausgangswert von einer Fruktosemalabsorption gesprochen wird. Manchmal kommt es allerdings auch zu einer so großen Anregung der methanbildenden Bakterien, dass der Wasserstoff verbraucht wird und somit nicht mehr in der Atemluft nachweisbar ist. Deshalb kann eine gleichzeitige Bestimmung des Methangehalts erfolgen, wodurch eine fast hundertprozentige Empfindlichkeit des Tests erreicht wird.

Desweiteren werden auch die gegebenenfalls vorliegenden Symptome, die das Verdauungssystems betreffen, bei der Verordnung einer fruktosereduzierten Diät berücksichtigt, da diese lediglich bei etwa der Hälfte der Patienten mit positivem Atemtest auftreten.

Differenzialdiagnosen

a) Laktoseintoleranz

Dieses Syndrom stellt einen Laktasemangel (Milchzucker spaltendes Enzym im Darm) in unterschiedlichen Ausprägungen dar und ist die bekannteste Form der Kohlenhydratmalabsorptionen.

Die Häufigkeit schwankt je nach geographischer Region sehr stark und weist ein Süd/Nord-Gefälle auf, wobei die Verbreitung in Asien und Afrika am größten ausfällt.

Die Laktoseintoleranz kann genetisch bedingt sein oder durch eine andere Erkrankung des Dünndarms ausgelöst werden und die Beschwerden treten etwa eine Stunde nach Aufnahme des Milchzuckers auf.

Die unverdaute Laktose gelangt in den Dickdarm und wird dort von den Bakterien vergoren, was zu den gleichen Symptomen, wie bei der Fruktosemalabsorption führt. Diese sind abhängig von der Zufuhr, der noch vorhandenen Laktaseaktivität und der bakteriellen Dickdarmflora. Mehr als achtzig Prozent der von Laktosemalabsorption betroffenen Personen weisen gleichzeitig eine Fruktosemalabsorption auf, wodurch hier eine laktose- und fruktosereduzierte Diät eingeleitet werden sollte

b) Nahrungsmittelallergien

Die echten Überempfindlichkeitsreaktionen auf Nahrungsmittel durch Immunglobuline (Antikörper) treten nur selten auf, werden aber oft für das Reizdarmsyndrom verantwortlich gemacht.

Bei diesen Nahrungsmittelallergien kommt es zu Hautreaktionen und oraler Aufnahme zu sofortigen Symptomen, wie beispielsweise einem pelzigen Gefühl im Mund, einer brennenden Zunge und einer Schwellung der Lippen.

Von Reizdarmpatienten werden solche Reaktionen nur sehr selten genannt und auch bei der Fruktosemalabsorption beginnen die Beschwerden erst dreißig bis neunzig Minuten nach der Einnahme der Fruktose.

c) Histaminunverträglichkeit

Die Histaminintoleranz ähnelt den echten Nahrungsmittelallergien sehr und ihre Auswirkungen kommen durch eine vermehrte Histaminwirkung (Histamin ist ein biogenes Amin) zustande.

Es kommt hierbei unter anderem zu Histaminkopfschmerz (Migräne), Erröten („Flush“, besonders nach Alkoholkonsum), Durchfall, Bauchkrämpfen, eventuell Erbrechen, Blutdruckabfall, Herzrasen, Asthma, Juckreiz und manchmal plötzlichem Anschwellen von Lippen, Augenlidern und Gesicht. Diese treten mit unterschiedlicher Stärke etwa dreißig bis sechzig Minuten nach dem Verzehr und unmittelbar nach dem Alkoholkonsum auf.

4) Therapie der Fruktosemalabsorption

Der wichtigste Ansatz der Therapie liegt in der Reduktion des Fruchtzuckers in der Ernährung.

Da der Zuckeraustauschstoff Sorbit das zuständige Transportsystem blockiert, muss dieses strikt aus der Nahrung verbannt werden, da es sonst zu einer zusätzlichen Verschlechterung der Fruktosemalabsorption kommt.

Der Verzehr von Haushaltszucker ist unbedenklich, da die Glukose die Fruktoseaufnahme ins Blut fördert. Dies ermöglicht auch den Konsum von Obst bei gleichzeitiger Traubenzuckergabe. Allerdings kann eine extreme Glukosezufuhr die Fehlbesiedelung des Dünndarms fördern. Auch in Lebensmitteln enthaltene Oligosaccharide (Drei- bis Zehnfachzucker) können die Beschwerden verschlimmern, das diese nicht resorbiert werden können. Hierzu zählen beispielsweise die Raffinose, Stachyose und Verbascose, die in Bohnen und Kohlgemüse enthalten sind und sollten bis zur Verbesserung der bestehenden Symptome gemieden werden. Sollte die Diät keine Wirkung zeigen, kann auch zusätzlich eine Kohlenhydramaldigestion vorliegen. Diese wird ausgelöst durch Stärke, die gegen das stärkespaltende Enzym Amylase beständig ist oder Umweltfaktoren wie Stress, Depressionen, hormonelle Schwankungen (Menstruationszyklus) oder andere Acetycholin hemmende (anticholinerge) Effekte.

Eine Behandlung mit Antibiotika kann bei sehr lange andauernden Beschwerden eine Linderung bewirken, wenn die Fruktosemalabsorption von einer bakteriellen Fehlbesiedelung des Dickdarms abhängt.

Nahrungsmittel mit hohem Fruktose-, Sorbit- oder Stachyosegehalt, die von Patienten mit Fruktosemalabsorption meistens nicht vertragen werden:

  • Dörrobst (Rosinen, Feigen, Datteln, gedörrte Aprikosen, Zwetschgen etc.)
  • Fruchtsäfte (Apfel-, Birnen-, Aprikosensaft u.a.)
  • Obst, Kompotte, Marmeladen
  • Honig
  • Kohlgemüse, Zwiebeln, Lauchgemüse, Sauerkraut
  • Rohkost und ballaststoffreiche Kost

Ernährungsempfehlungen bei Fruktosemalabsorption{:target=”_blank”}