Die Entstehung

Enzyme sind Proteine mit katalytischer Aktivität, was bedeutet, dass sie die Aktivierungsenergie von Reaktionen herabsetzen und die Reaktionsgeschwindigkeit erhöhen. So bewirken sie den Ablauf sämtlicher Bioreaktionen im menschlichen Organismus.

Besteht ein Laktasemangel oder die vollständige Abwesenheit dieses Enzyms, liegt eine Laktoseintoleranz vor. Die häufigsten Auslöser hierfür sind entzündliche Magen- und Bauchspeicheldrüsenerkrankungen oder eine kontinuierliche Abnahme der Laktaseaktivität, die nach der Stillzeit beginnt.

Kann nun der Zucker durch den Laktasedefekt nicht resorbiert werden, wird er in den Dickdarm weiter transportiert. Da die Laktose wasserbindende Eigenschaften aufweist, kommt es zu Durchfall. Begünstigt wird dies auch noch durch saure Abbauprodukte, die die Darmbewegung anregen.

Neben dem Durchfall können unter Anderem Symptome wie Übelkeit, Bauchschmerzen, Brechreiz, ein aufgeblähter Bauch, Blähungen, Sodbrennen, Schwindel, Müdigkeit und allgemeiner Leistungsabfall auftreten.

Ein wenig Statistik

In Deutschland leiden nach Schätzungen etwa 15% der erwachsenen Bevölkerung an einer Laktoseintoleranz.

Schaut man allerdings mal über seinen Tellerrand hinaus, so wird man feststellen, dass ungefähr 80% der Weltbevölkerung eine Milchzuckerunverträglichkeit aufweisen, wobei auch hier keine genauen Daten vorliegen.

Es besteht außerdem eine Abhängigkeit der Laktoseintoleranzbetroffenen von Rasse und Herkunft, wobei die Häufigkeit von Norden nach Süden und von Westen (ausgehend von Amerika) nach Osten zunimmt.

Eine interessante These

Nun stellt sich die Frage, warum dieser Zusammenhang besteht.

In Anbetracht der hohen Anzahl von laktoseintoleranten Menschen, kann man annehmen, dass dies den Normalfall darstellt und sich daraus eine Milchzuckerverträglichkeit entwickelte.

Es gibt verschiedene Theorien zur Entstehungsgeschichte, die ich nun näher erläutern werde.

Diese These orientiert sich an der Evolutionstheorie.

Bei Betrachtung der geographischen Verteilung laktosevertäglicher Bevölkerungsmehrheiten fällt auf, dass es sich um Gebiete mit eher geringer UV- Strahlung handelt.

Der menschliche Organismus benötigt dieses Sonnenlicht zur Synthese von Vitamin D, welches die wesentliche Rolle bei der Einlagerung von Kalzium in die Knochen spielt.

Bei zu geringer Sonneneinstahlung besteht folglich ein hohes Risiko einer Unterversorgung.

Zum Vergleich sei bemerkt, dass in Ländern wie beispielsweise Saudi-Arabien, die Sonne stark genug scheint, um die Bildung von ausreichend viel Vitamin D selbst bei den fast vollständig verhüllten Frauen zu gewährleisten. Hier reichen die freien Hände aus. Kommen solche Frauen nun allerdings für längere Zeit in westliche Länder, tritt häufig eine Mangelversorgung auf.

Diese Problematik führt uns nun zur Milch.

Milch und Milchprodukte sind reich an Kalzium und die Muttermilch wird nach der Geburt von allen Säugetieren getrunken und auch vertragen. Im Regelfall ändert sich diese Verträglichkeit mit dem Heranwachsen.

Es wird angenommen, dass ein Konsum über die Säuglingszeit hinaus zu einer so adäquaten Kalzium-Versorgung führte, dass die niedrige UV-Strahlung und die damit einhergehende geringe Vitamin D-Synthese kompensiert werden konnte.

Dies hätte einen erheblichen Selektionsvorteil gegenüber den Konkurrenten mit sich gebracht..

Daher könnte sich eine Produktion von Laktase in den sonnenärmeren Regionen durchgesetzt haben, die in den anderen Ländern ganz einfach nicht notwendig war.

Kulturhistorisch betrachtet könnte auch die Entwicklung der Milchviehwirtschaft in den betreffenden Ländern und die damit verbundenen Vorteile einer gesicherten Nährstoffzufuhr, für eine bestehen bleibende Laktaseproduktion ursächlich gewesen sein.

Die adaptive Theorie legt ihre Betonung mehr auf eine Regulation der Laktasemenge durch eine regelmäßige, hohe Zufuhr an Milchzucker.

Durch diese Zufuhr soll sich die Wahrscheinlichkeit einer Toleranz stark erhöhen, da sich der Körper an sie anpasst.

Im Grunde genommen sagen alle Thesen etwas Ähnliches aus und widersprechen sich nicht.

Der Mensch hat sich im Laufe seiner Entwicklung an den Milchzuckerkonsum angepasst, insofern dies erforderlich war.

Fakt ist jedenfalls, dass eine Laktoseintoleranz eher die Regel als eine Ausnahme darstellt.

Fraglich scheint nun auch zu sein, ob man diese Unverträglichkeit überhaupt noch als Krankheit bezeichnen darf.

Dies impliziert nämlich, dass die Körperfunktion anderer Rassen „schlechter“ sei, als die der Westeuropäer und Nordamerikaner.

Studien

Eine Studie von Nguyen (2006) lieferte Ergebnisse, die die adaptive Theorie untermauern.

In einer Doppelblindstudie wurden Asiaten und Asiatinnen unterschiedlicher Herkunft befragt und getestet. Eine Gruppe setzte sich aus eingewanderten, die andere aus in Deutschland geborenen Probanden zusammen.

Die Auswertung dieser Untersuchung ergab, dass die Gruppe der Eingewanderten vermehrt Unverträglichkeiten gegenüber Laktose aufwies als die Vergleichspersonen.

Daraus lässt sich schlussfolgern, dass nicht die ursprüngliche Herkunft oder Rasse, sondern vielmehr die Lebensbedingungen verantwortlich für die Laktoseintoleranz sind.

Die Gewöhnung an Laktose durch eine regelmäßige Zufuhr über die Nahrung wäre also eine plausible Erklärung.

Exkurs zur Milch

Anscheinend besitzen wir hierzulande größtenteils die Fähigkeit auch als Erwachsene noch Milch trinken zu können.

Denn Milch ist schließlich gesund oder?

Manche sind da andrer Meinung. Es ist relativ weit verbreitet , dass ein hoher Milchkonsum über einen langen Zeitraum hinweg, in einem erwiesenen Zusammenhang mit Brust- und Prostatakrebs stehen soll.

Der Grund sollen die enthaltenen Hormone der Kuh sein. Besonders das weibliche Sexualhormon Progesteron stand hierbei im Blickfeld.

Allerdings gilt diese Behauptung inzwischen als unwahrscheinlich.

Da die tägliche Produktion von Sexualhormonen beim Menschen wesentlich höher ist, als der Anteil in der Milch, geht nur ein geringes gesundheitliches Risiko hiervon aus.

Des Weiteren wird Progesteron bei oraler Einnahme zum Großteil von der Leber abgebaut und über die Nieren ausgeschieden. Die Mengen, die im Körper noch eine Wirkung zeigen könnten, sind also nur sehr gering.

Allerdings liegen bisher noch keine umfassenden und abschließenden Untersuchungen zu dieser Thematik vor.

Zusammenfassen kann man also festhalten, dass die Laktoseintoleranz keine Krankheit darstellt und das Verdauungsvermögen wahrscheinlich eine Anpassung des Körpers an die Ernährungsgewohnheiten darstellt.

Dies sollte man vielleicht im Hinterkopf behalten, wenn einem die Industrie suggerieren will, dass wir etwas unbedingt brauchen, auf das die Mehrheit der Weltbevölkerung problemlos verzichten kann.

Die praktische Relevanz

In anderen Ländern mag die Laktoseintoleranz auf Grund der Esskultur nur wenig problematisch sein.

In Deutschland allerdings sind Milch und Milchprodukte sehr weit verbreitet, was eine Vermeidung nicht einfach macht. Inzwischen gibt es auf dem Markt schon einige Produkte, die dieses Problem vereinfachen, wie beispielsweise (-)L-Milch.

Allerdings sind in hier in der Regel noch geringe Mengen an Laktose enthalten, da die zugegebenen Enzyme meist nicht die gesamte Menge spalten.

Doch ein weitaus größeres Risiko geht von den Lebensmitteln aus, die nicht so offensichtlich Laktose enthalten.

In vielen Wurstprodukten, Backwaren, Süßigkeiten, Fertig- und Tiefkühlgerichten lässt sich Milchzucker finden.

Dieser muss natürlich auf der Zutatenliste mit angegeben sein, aber hier kommt nicht zwangsweise Jeder auf die Idee, danach zu schauen. Bei frischen Produkten, wie Backwaren oder Wurst vom Metzger stellt sich dies noch erheblich schwieriger dar.

Die Angabe der Laktose kann im Übrigen auch als E-Nummer erfolgen, welche den meisten Leute nicht geläufig sind.

Laktoseintolerante Menschen sollten einen Bogen um Lebensmittel machen, auf denen die Nummer E966 angegeben ist. Auch enthalten alle Speisen und Getränke Laktose, die Molke, Milch oder Milchpulver und Sahne enthalten.

Einen weiteren praktisch sehr relevanten Aspekt stellt die Tatsache dar, dass zahlreiche Medikamente in Tablettenform Laktose enthalten.

In der Pharmazie stellt das Laktose-Monohydrat (an jedes Molekül Laktose ist ein Molekül Wasser gebunden) ein sehr wichtiges Füll- und Bindemittel dar, welches in fast allen Tabletten enthalten ist. Durch die speziellen physikalischen Eigenschaften des Milchzuckers, lässt er sich hier auch kaum ersetzen.

Zumindest für relativ empfindlich reagierende Laktoseintolerante stellt dies eine ganz erheblich Einschränkung dar. Eine Alternative sind manchmal zwar Kapseln oder flüssige Zubereitungen, aber diese sind in der Regel wesentlich teurer und auch nicht für jedes Medikament verfügbar.

Inzwischen gibt es auch Laktasepräparate, die durch ihre enthaltenen Enzyme die Symptome der Laktoseintoleranz verhindern.

Auch wenn sie eine praktische Errungenschaft darstellen, variiert die Wirksamkeit von Mensch zu Mensch recht stark und auch eine Verträglichkeit dieser Medikamente sollte vorher getestet werden.

Wie man nun feststellen kann, hat eine Laktoseintoleranz also auch heute noch große Auswirkungen auf die Lebensqualität der Betroffenen.

Hier besteht in Deutschland noch eindeutig ein Verbesserungsbedarf im Produktangebot und in der Aufklärungsarbeit.

Dies bezieht sich auch auf manche großzügige Personen, die gelegentlich die hungernde Bevölkerung in Afrika oder Asien mit Milchpulver-Spenden erfreuen.

Vielen Dank an frekz für seine Unterstützung bei diesem Artikel.

Quellen

Thi Kim Hai Nguyen (2006) „Laktoseintoleranz bei Menschen asiatischer Herkunft“ unveröffentlichte Diplomarbeit der Fachhochschule Münster Bundesinstitut für Risikobewertung (2008) „BfR sieht keine Assoziation zwischen dem Progesterongehalt in Milch und Brustkrebs“ Stellungnahme Nr. 022/2008 des BfR vom 21. Januar 2008 http://www.bfr.bund.de/cm/208/bfr_sieht_keine_assoziation_zwischen_dem_progesterongehalt_in_milch_und_brustkrebs.pdf