Mensch bin ich vollgefressen! Aber ein dickes Schokoeis mit Sahne käme jetzt noch richtig geil… Ach was, eine Rippe Schoki am Tag bringt einen schon nicht um, oder vielleicht doch?!

Machen wir uns nichts vor

Tut sie auch nicht, auch nicht bei einem KFA über 20%, wenn man sich sonst soweit am Riemen reißt. Die Frage ist nur, was sie einem bringt. An dieser Stelle kann man jetzt einen Artikel aus der Fernsehzeitung suchen, der einem sagt, dass ein Stück Bitterschokolade am Tag vor Herzinfarkt, Schlaganfällen, Impotenz, Depressionen, Arbeitslosigkeit und schlechtem Wetter in der Grillsaison schützt. Macht sicherlich Spaß, stimmt in manchen Belangen, ist aber auch wunderbarer und gewollter Selbstbeschiss. Fakt ist: Zucker lenkt unser Essverhalten. Ob Sportler oder nicht, sehr viele Leute sind bei der täglichen Zuckerzufuhr eines Durchschnittsdeutschen nicht mehr oder nur noch mit Mühe in der Lage, ihr Essverhalten wirklich zu kontrollieren.

Frustrierend wird die Sache besonders bei denjenigen, die mit den Pfunden zu kämpfen haben, stets gewillt sind etwas zu ändern, aber es einfach nicht schaffen. Nachlässigkeit, mentale Schwäche beim Essen, faule Verfressenheit, Naschkatzensyndrom? Viele Attribute, die wir uns selbst in der Enttäuschung über unsere Person, unser Essverhalten und der dadurch mitbestimmten Figur anheften, können schnell ihre Grundlage verlieren, wenn wir es einmal schaffen, dem Zucker abzuschwören. Ich rede nicht von Meditation, Selbsthilfegruppen oder Autosuggestion. Von Zucker gelenkt zu sein hat nichts mit eurer Person oder eurem Charakter zu tun. Also hört auf zu jammern und bleibt trotzdem wie ihr seid, man. Nehmt euch ein paar Tage Zeit, kneift die Arschbacken zusammen und lasst euren Körper die Sache für euch erledigen. Es ist so einfach.

Dieser Artikel soll euch eine Anregung geben, wie ihr mit einer simplen Verzichtsphase von wenigen Tagen euer Gehirn wascht, ohne euch irgendetwas von wegen Selbstfindung einzureden. Aber bevor ich die Katze aus dem Sack lasse, ein paar simple Zeilen über Zucker in der menschlichen Ernährung und seinen nützlichen Einsatz für den Sportler.

Sinn und Unsinn

Alle unter uns, die häufig ernsthaft über die sinnvolle Kombination von Sport und guten Ernährungsgewohnheiten zwecks körperlicher Leistungssteigerung/Transformation und erhöhtem Wohlbefinden nachdenken, streifen dabei immer wieder die Frage nach Sinn und Unsinn beim eigenen Zuckerkonsum1. Landläufiger Sinn: Zucker ist lecker und Grundbestandteil bzw. Verfeinerung vieler beliebter Nahrungsmittel. Zucker ist „Nervennahrung“ und liefert schnelle Energie in toten Phasen des Tages. Unsinn: Leider sind die Fünfziger Jahre vorbei. Dem aufmerksamen Bodybuilder und Kraftsportler, oder zu welcher Gruppe man sich auch immer zählen mag, sind die negativen Auswirkungen von täglichem und unhinterfragten Zuckerkonsum hinlänglich bekannt. Besonders die Auswirkungen auf den männlichen Körper geben Kellogg´s und Marmeladenstulle einen schlechten Beigeschmack. Wer kein konkretes Bild der physiologischen Nachteile hat, sollte an dieser Stelle noch einmal für sich recherchieren, da diese Grundlage und nicht Inhalt des Artikels sind.

Warum wir Zucker eigentlich nicht brauchen

Es mag Leute geben, die für alle möglichen Zusammenhänge im Leben ihre Argumente in der Steinzeit suchen. Schwierigkeiten bekommt höchstwahrscheinlich dann, wenn man dem Haftrichter erklären soll, warum man seinem Nebenbuhler im Club den Kiefer gebrochen hat, weil er an dem Abend dasselbe Mädchen auf dem Plan hatte und behauptet, dass die Aktion ganz natürliches Verhalten gewesen sei. Wenn wir uns über zuträgliche Ernährung unterhalten, kommen wir um unsere Ursprünge aber nicht ganz herum.

Ohne auch nur einen biochemischen Satz zu verlieren, kann man sich im Hinblick auf die Menschheitsgeschichte leicht denken, dass sich ernstzunehmende Mengen an Glukose eine verdammt lange Zeit nicht auf dem Speiseplan unserer frühen Vorfahren befanden, die wir heute doch so sehr um ihre Physis beneiden. So kann man es auch ausdrücken, ohne die alte Leier von Jägern und Sammlern wieder auszupacken. Biochemisch gesehen sind Kohlenhydrate generell kein essentieller Nährstoff. Warum erzähle ich das überhaupt? Es geht jetzt nicht darum, irgendwelchen Keto-Faschisten Ball zuzuspielen, sondern ganz einfach darum, sich noch einmal kurz auf den evolutionären Kontext von Ernährung bei unserem Zuckerproblem zu besinnen.

Wann er aber trotzdem nützlich ist

Unser Körper ist kein Auto, das nur mit Super 95 läuft. Fett, Kohlenhydrate und auch Eiweiß werden für den Energiestoffwechsel herangezogen. Die Umweltbewussten unter uns fahren am Samstagabend auch gerne mal ein Ründchen mit Bioethanol, bis der Tank wieder leer ist. Der Lieblingsenergieträger des menschlichen Körpers ist, wer hätte es gedacht, unser lieber Zucker, sprich Glukose. Jede Form von Nahrungsenergie, die wir in den Mund stecken, verbastelt er zu Glukose. Und sofern er keine Kohlenhydrate bekommt, wenn wir irgendwelche ketogenen Experimente machen oder es für einige Tage ernährungstechnisch einfach nur verdammt Scheiße erwischt haben, läuft er eben mit selbstgemachtem Muckefuck namens Ketonkörper.

Der Zeitraum, in dem wir pur zugeführte Glukose wirklich gebrauchen können, ist das heißgeliebte Training (dabei vor allem das Training mit Gewichten sowie HIIT, wobei letzteres wohl weniger geliebt ist). Schneller Zugriff auf den bevorzugten Energieträger sichert die Grundlage für eine gute Performance. Hä, wie? Was will der? Ja, ganz richtig, ihr ahnt es schon. Glukose kann man auch unmittelbar vor dem Training einsetzen. Der Goldstandard ist zwar folgender: Pre-Workout = komplexe Kohlenhydrate + Protein, Post-Workout = Dextrose + Protein sowie Kohlenhydrat-BCAA-Lösungen während hochvolumiger Einheiten. Klar, alter Hut. Seine Pre-Workout Carbs exakt getimt auf Zucker zu basieren, macht Sinn, wenn man 1. in einer Diät Kalorien sparen möchte oder 2. festen Mageninhalt beim Training als störend empfindet. Ist nur so eine Idee. John Ivy hatte sie bei seinem Nutrient Timing und Philipp Rauscher findet sie für sein LOGI-System scheinbar auch ziemlich Klasse. Funktionieren tut sie auf jeden Fall. Zumindest auf jeden Fall bei einer Person. Bei mir. Okay genug jetzt.

Rechenbeispiel: Eine brauchbare Portion Haferflocken von 90 Gramm liefert ~60g Kohlenhydrate bei 328 Kalorien. Die meisten werden Haferflocken wohl eher nicht ohne Milch herunterkriegen, kommen also noch minimal 200 ml 1,5% Milch mit 115 kcal dazu. Bei Magermilch 0,3% (ich wette immer noch drum, dass das eigentlich Deckweiß mit Wasser und Süßstoff ist) sind das 83kcal. Insgesamt macht das 433 oder 411 kcal und 71g KH. Die 11,5g Laktose kann man als ernsthafte Trainingscarbs wohl unter den Tisch fallen lassen. 65g reines Maltodextrin (4,83 €/kg) liefern 62g KH bei 249 kcal. Ich brauche die Zahlenfetischisten nicht weiter zu bedienen, wenn ich klarmachen will, dass wir aus einer Zuckerlösung mehr Kohlenhydrate im Verhältnis zu den Gesamtkalorien herausbekommen als aus stärkehaltigen Zerealien und Backwerk. Der Anspruch an die Pre-Workout Mahlzeit ist der, maximale verfügbare Energie für das anstehende Training zuzuführen. Wenn in der Diät an diese Mahlzeit gleichzeitig der Anspruch gestellt wird, dabei möglichst wenige Kalorien aufnehmen zu müssen, erkennen wir den Sinn in einer seelenlosen Zuckerlösung als Trainingsgrundlage.

Drück den Reset-Knopf

Wie kommt man nun aus der Bullshit-Spirale heraus, in der man sich seit Jahren befindet oder in die man immer wieder hineinrutscht? Indem man eine absolut simple Diät fährt. Diese Diät ist so einfach, dass man noch nicht einmal etwas essen muss. Korrigiere, sollte.

Die Nährstoffzufuhr besteht in der Entwöhnungsdiät aus Proteinpulver, Fischölkapseln oder omegareichen Ölen, ein paar Nüssen der Wahl und einem Ballaststoffzusatz wie beispielsweise Leinsamen oder Weizenkleie. Wer so etwas nicht runterbekommt, nimmt eben ein Ballaststoffsupplement. Ein Multivitaminpräparat kann auch nicht schaden. Feste Nahrung fällt also von Beginn an für die nächsten Tage flach. Oh mein Gott, meine hart verdienten Muskeln! Keine Sorge, der „Ernährungsplan“ besteht aus Proteinshakes, die alle drei Stunden zusammen mit Fischölkapseln oder einem Löffel Öl und dem Ballaststoffzusatz verköstigt werden. Die Versorgung ist also etwa alle drei Stunden gewährleistet. Der Zeitraum, den man für diese Diät ansetzt, bleibt einem selbst überlassen. Wir reden hier aber über Tage, nicht über Wochen. Insofern sind Sorgen um etwaigen Muskelverlust oder ernstzunehmenden Mangelerscheinungen unbegründet. Die primäre Absicht besteht bei diesen Fastentagen nicht darin, Fett zu verlieren. Auf zwei bis drei Kilo Gewichtsverlust kann man sich in 5 bis 7 Tagen schon einstellen. Davon ist sicherlich nicht alles Wasser. Trotzdem ist das in unserem Fall eher eine nette Nebenwirkung und nicht das Ziel. Daher empfehle ich keine direkten Kaloriensätze oder das ambitionierte Benutzen einer Küchenwaage.

Das Konzept ist das der Velocity Diät. In den USA ist die Velocity Diät 3.0 um Chad Waterbury und Konsorten gerade ganz groß und wird mit Supplement „Essentials“ und Trainingsprogramm vermarktet. Diese Diät verspricht einen radikalen Fettverlust von 10-20 Pfund innerhalb von 28 Tagen. Ich bin aber nicht der erste, der euch handwarm erzählt, dass die Diät auch ohne den Erwerb von Biotest-Produkten funktioniert. Neben massivem Fettverlust steckt in ihr die Idee, durch den kompletten Verzicht auf feste Nahrung wieder zu vernünftigen Essgewohnheiten zurückzufinden. Den zweiten Punkt und nur den zweiten greifen wir an diese Stelle für unser Vorhaben auf nutzen ihn. Innerhalb der 28 Tage ist in der V-Diet wöchentlich eine feste und saubere Mahlzeit vorgesehen. Wie beispielsweise in der anabolen Diät folgt in der V-Diet auf eine Verzichtsphase kein möglicher Fresstag, sondern ein schöner Teller voller hochwertiger Nahrung. Dabei sind der Phantasie keine Grenzen gesetzt. Ein ausgewogenes Verhältnis der Makronährstoffe ist hierbei natürlich von Vorteil, wenn wir über eine vollwertige Mahlzeit reden.

Simpel gesagt wird der Diätende auch in unserem Kurzprojekt über mehrere Tage hinweg seine Shakes verfluchen und froh sein, überhaupt nochmal etwas Festes zwischen die Zähne zu bekommen. Dass man dabei nicht zuerst an Eis und Schokolade denken wird, stellt sich über die Tage schnell heraus.

Noch ein paar Worte zum Training: Da diese Tage sehr anstrengend sein werden, empfiehlt es sich, auf kurze und intensive (nicht schwere) GK-Einheiten und einen Hantelcomplex zurückzugreifen, um das ZNS zu schonen. Für kurze und knackige Einheiten mit weniger als 60 Minuten wird man in dieser Zeit sehr dankbar sein. Auf Cardiotraining sollte eher verzichtet werden, weil belastungsökonomisches Vorgehen in der Entwöhnungsphase sehr wichtig ist. Da die kurzintensive GK-Form des Trainings mittlerweile der Goldstandard für den Fettabbau ist (man merkt sehr schnell, warum), sollte diese Art zu trainieren für unser mögliches Nebenziel, auch ein wenig fett zu verlieren, nützlich sein.

Nicht einfach so verklickert

Ich erzähle euch hier nicht irgendeine tollkühne Theorie. Die Idee habe ich selber an mir getestet und konnte innerhalb einer Woche sinnfreie Essgewohnheiten ablegen. Und ich bin seit jeher ein entsetzlicher Fresssack, der gerne mal schwach wird. Trotzdem muss innerhalb dieser Flüssigtage etwas mit meinem Nervenkostüm passiert sein, das mir das Interesse an Süßigkeiten genommen hat. Das ganze ist sogar so weit fortgeschritten, dass ich in feuchtfröhlicher runde selber nicht mehr ganz nüchtern den Leuten entspannt beim Schokolade-Essen zusehen kann und einfach keine Lust darauf habe, mir auch ein Stück abzubrechen. Verrückt oder?

Eine so einfache Möglichkeit, unnötige Verhaltensmuster von innen heraus ohne jegliche Selbstfindungsscheiße durch bloße Entwöhnung weniger Tage abzulegen, kann ich nur jedem ans Herz legen. Ein Allheilmittel mit ewiger Wirkung habe ich natürlich nicht dargelegt. Niemand ist davor gefeit, wieder in schlechte Gewohnheiten zu verfallen. Aber ich sehe für euch trotzdem die Chancen, ihnen so wieder sehr rasch den Garaus zu machen.

1Mit Zucker ist hier Glukose gemeint. Fructose mit ihren ganz eigenen Nachteilen ist nicht Gegenstand des Artikels.