Ich hoffe ihr werdet Gefallen beim Lesen finden und ihr könnt das ein oder andere für euer Leben am Eisen herauspicken oder allein dafür, dass andere nicht die gleichen Fehler begehen wie ich, ist es schon wert, diesen Text zu verfassen.

Meinen ersten Kontakt mit Auswüchsen der Sportart, die im Nachhinein mein Leben drastisch beeinflusste, machte ich tatsächlich in der Schule, um genau zu sein im Sportunterricht. Unserer Lehrer plante mit uns ein mehrwöchiges Zirkeltraining, welches aus Einheiten wie Crunches, Liegestütz, Dips an der Bank, aber auch Sachen wie Seilspringen, Springen, etc. bestand. Diese Art des Trainings hat mir von Anhieb an gefallen. Das Auspowern und die stetige und messbare Progression der Trainingserfolge. Das war neu für mich, hatte ich zuvor doch nur, teilweise auch unter dem Zwang der mütterlichen Befehlsgewalt, Kontakt mit Sportarten gehabt, die mir zwar zweitweise wirklich gut gefallen haben, aber mich nie allzu lang in den Bann gezogen haben. So habe ich drei Jahre lang Tennis gespielt, bin mehrere Jahre im Schwimmverein gewesen (aber nie ernsthaft), habe fünf Jahre lang Judo gemacht, habe zwei Jahre lang Erfahrungen im Fußball gesammelt und war dreieinhalb Jahre lang im Tischtennisverein. In meiner Kindheit habe ich eigentlich nie einen Sport betrieben, der wirklich sehr anstrengend war. Fußball war da schon das Maximum an körperlicher Ertüchtigung. Diese Tatsache in Verbindung mit meiner genetischen Veranlagung, die man ohne Probleme als sehr extrem beschreiben kann, hat wahrscheinlich einen großen Teil zu meinem damaligen körperlichen Zustand beigetragen. Ich war dünn, zu dünn, um genau zu sein untergewichtig, besaß keinerlei Körperbeherrschung und war extrem schwach. Verstärkend hinzu kam meine Körpergröße, die schon immer weit über dem Durchschnitt lag. Insgesamt war ich eine sehr schlaksige und gebrechliche Erscheinung. Aber zurück zum Zirkeltraining. Bald schon waren die paar Wochen des Trainings in der Schule vorbei und ich beschloss, da mir diese Unterrichtsreihe äußerst gut gefallen hatte, ein ähnliches Training zu Hause nachzumachen. Lustigerweise anzumerken sei noch, dass ich am Anfang dieser Trainingsreihe keine einzige Liegestütz, geschweige denn einen Klimmzug geschafft habe. Nach den Wochen in der Schule schaffte ich vielleicht mit Ach und Krach sieben bis zehn Liegestütze. Also: Ich entwickelte mein erstes „Home- Training“. Im Nachhinein kann man darüber nur mit dem Kopf schütteln, aber ich hatte überhaupt kein Vorwissen. Das Training war ungefähr wie folgt aufgebaut:

  1. Aufwärmen
  2. 5x langsam durch Zimmer gehen und ca. 200x den „Handgripper“ von Energetics zusammendrücken
  3. Maximale Anzahl Liegestütze
  4. Maximale Anzahl Klimmzüge
  5. 200-400 Dips am Bettrand
  6. Maximale Anzahl Liegestütze
  7. 50 einarmige KH-Curls
  8. Maximale Anzahl Klimmzüge
  9. Maximale Anzahl Liegestütz
  10. 150-200x Wadenheben an der Treppe
  11. 200 Sit-Ups
  12. 20 Kniebeugen

Stolz anzumerken sei, dass ich nachher immerhin siebzig Liegestützen schaffte (was ich heute bei weitem nicht mehr schaffen würde). Aber mit meinem Startgewicht von 66kG auf 191cm war das auch nicht allzu schwierig. Meine Beweggründe für dieses Training waren simpel: An Hypertrophie und ähnliches dachte ich nicht einmal Ansatzweise, ich war einfach fasziniert von der neuen Erfahrung, dem guten Gefühl beim Training (Pump) und das Erschöpfungsgefühl nach einer anstrengenden Trainingseinheit. So trainierte ich vielleicht ein halbes bis dreiviertel Jahr, ohne nur einen Gedanken an trainingsgerechte Ernährung zu verschwenden. Im Gegenteil, anstatt viel zu essen, hatte ich tatsächlich oft ein schlechtes Gefühl, wenn ich Süßes aß und lies daher solche Sachen weg und lud auch ansonsten meinen Teller nicht allzu voll. Schon hier lässt sich im Nachhinein erkennen, dass ich immer wieder zu Extremen neige. Ich fühlte mich nicht zu dünn, im Gegenteil, ich wollte noch dünner werden.

Im Oktober 2005 kam ich dann schließlich auf die Idee, mein Training etwas auszubauen und mich in einem Fitnessstudio anzumelden. Nach einigem hin und her entschied ich mich einfach für das nächste und günstigste Studio. Natürlich verschwendete ich keinen Gedanken an die Ausstattung des Studios, die Betreuung, geschweige denn das maximale Gewicht der Kurzhanteln. So fing ich also an zu Pumpen und ich kann mich immer noch ganz genau an den ersten Gedanken erinnern, der mir durch den Kopf schoss, als ich das erste Mal in einer vertikalen Beinpresse lag: „Das wird dein neues Zuhause.“ Im Nachhinein stellte sich dieser erste Gedanken als realitätsnahe Zukunftsprognose heraus. Ich absolvierte meine ersten Ganzkörper-Anfänger-Trainingspläne im Fitnessbereich und meldete mich knapp zwei Monate später im ersten Fitnessforum im weltweiten Netz an. Niemals hätte ich mir erträumt, dass ich auf diesen zahlreichen Internetforen wirklich mehrere Wochen meines jugendlichen Lebens verbringen werde. Ganz langsam und über einen langen Zeitraum fand ich Zugang zu der Trainingsthematik und der Ernährungslehre. Ich kam erstmals in Berührung mit den bis dato nie beachteten massebringenden Haferflocken, die bis heute den Grundstein meiner kalorienreichen Ernährung darstellen. Ich gucke mir jetzt in Nachhinein immer wieder gerne meine ersten Beiträge in meinem Einsteigerforum an, z.B.: „Ich möchte drahtige Muskeln aufbauen, aber nicht aufgehen wie ein Hefeklos. Was muss ich machen?“ Heutzutage würde ich mich darüber freuen, aufzugehen wie ein Hefeteig…

Nach einiger Zeit bemerkte auch mein Umfeld die kleinen, aber prägnanten Veränderungen in meinem Alltag. Dass ich jetzt Schwarzbrot und „Hafergrütze“ aß, war den meisten suspekt. Sogar bis eineinhalb Jahre nach Trainingsbeginn musste ich mir immer noch von Jungen wie auch Mädchen anhören, dass es doch keinen Sinn hätte, da ich eh keine Muskeln aufbauen würde und immer dünn bleiben würde. Auch nach eineinhalb Jahren gab es immer noch Jungs, die nicht im Training standen (wie die meisten in dem Alter), die einfach vom Körper besser aussahen und im Alltag (die typischen kindlichen Kraftvergleiche: Kugelstoßen, Armdrücken, etc.) einfach stärker waren. Aber ich gab nicht auf und machte weiter, da ich wusste: Ich bin auf dem richtigen Weg. Ich sah Erfolge, die Kritiker wurden weniger.

Ich machte erste Kontakte mit einem Dreiersplit und traute mich eines späten Samstagabends sogar, einen Schritt in den abgeschotteten Freihantelbereich zu setzen. Allerdings nur, weil ich im Studio alleine war. Zuvor hatte ich nicht einmal gewagt, einen Blick zu riskieren. Als ich dann endgültig im harten Pumperbereich stand war ich von den Eindrücken schlichtweg überwältigt. Im Fitnessbereich war doch alles so schön hell blau und weiß. Der Freihantelbereich dagegen: Grau-schwarzer Teppichboden, schwarze Bänke und Hanteln, merkwürdige Geräte mit Ketten und Seilen. Insgesamt eine sehr kalte Atmosphäre. Irgendwann las ich im Internet natürlich von den „Wunderübungen“ Bankdrücken, Kreuzheben und Kniebeugen. Ich begann, mir diese komplexen Übungen alleine beizubringen, da die Trainer in meinem Studio selber wenig Ahnung hatten. Meiner Bitte, mir Kreuzheben zu zeigen, kamen sie mit einer dreißig Sekunden dauernden „Präsentation“ nach und verschwanden dann schnell wieder zu ihren Kollegen, ohne meine Ausführung zu kontrollieren. So musste ich also über einen langen Zeitraum diese komplexen Übungen selber erlernen, was ohne jegliche aktive Hilfe alles andere als eine schnelle und einfache Sache ist. Beim jungfräulichen Bankdrücken wurde mir durch einen schmerzhaften, wenn auch glimpflich verlaufenen, Vorfall meine falsche Drücktechnik vor Augen geführt. So drückte ich zu Beginn meiner „Karriere“ mit der Langhantel über dem Gesicht. Wie ich darauf gekommen bin, kann ich leider nicht beantworten. Jedenfalls drückte ich bis zum Muskelversagen und bei der letzten Wiederholung verlor ich in der negativen Phase der Bewegung die Kontrolle über die Hantel, welche die letzten zehn Zentimeter des Weges in freiem Fall auf den Bereich zwischen Oberlippe und Nase zurücklegte. Obwohl es sich nur um fünfzig Kilo handelte, hatte ich Glück im Unglück. Ich hatte weder den Kiefer gebrochen, noch verlor ich einen Zahn, das einzige, was ich davontrug, war eine Platzwunde unter der Nase und einen nicht unerheblichen Schock. Aber seitdem habe ich nie wieder über dem Gesicht gedrückt… Aber auch beim Kreuzheben hatte ich mit so einigem Widerstand zu kämpfen. So unterhielt sich über mich einmal das ganze Studio lauthals, wie denn so ein junger Spund wie ich auf die Idee käme, solch eine schlimme „Gewichtheber-Übung“ zu machen und ob ich noch ganz bei Trost sei, da ich mir alles kaputt heben würde. Wie man es richtig macht, haben sie mir aber nicht gezeigt.

Und so sammelte ich über meine bisherige Trainingszeit Erfahrung mit Dreier- und Vierersplits, HST klassisch, PITT Force und PITT Hardcore. Eine ganz besondere Erfahrung machte ich auch im Sommer des Jahres 2006, in welchem ich nach einem 4-er Split trainierte und gleichzeitig noch allerlei anderen Sport trieb. Für meinen Drang nach Perfektion und meinen oft unvernünftigen Ehrgeiz wurde ich während der Sommerferien bestraft. Im Zeitraum von circa einem Monat verschlechterte sich mein Wohlbefinden rasant. Ich war den ganzen Tag müde, schlief tagsüber mehrere Stunden, um dann am frühen Abend wieder müde aufzuwachen, konnte mich nicht hinsetzen oder hinlegen, ohne einzuschlafen, war antriebslos und mies gelaunt. Kurz und bündig: Ich war physisch und psychisch ausgebrannt. Man könnte es auch Übertraining nennen. Der Arzt attestierte mir, dass ein besonderer Stoff, der bei Überbeanspruchung und Stress vermehrt ausgeschüttet wird, einen hohen Anteil in meinem Blut gehabt hätte. Es folgt eine einmonatige Trainingspause, in der ich mich nur langsam erholte. Aber auch aus diese Erfahrung hat mir im Nachhinein etwas klar gemacht: Dem eignen Körper sind natürliche Grenzen gesetzt, welche man kennenlernen sollte, um sein Training optimal auf sich selber abstimmen zu können.

Es vergingen Monate und Jahre des Trainings, in denen ich mich schleichend und hauptsächlich unterbewusst immer tiefer in den sogenannten „BB-Sumpf“ beförderte. Mein Training wurde immer intensiver, der mentale und körperliche Druck vor jeder Trainingeinheit, die nächste Gewichtssteigerung unbedingt zu schaffen immer größer. Mein Ernährungsplan wurde immer strenger, ich aß immer mehr und gleichzeitig wurden immer mehr normale Lebensmittel „unbrauchbar“ für meinen BB-Pseudo-Ernährungsplan. Den Höhepunkt dieses Fanatismus erreichte mein Lebensstil sicherlich im Jahre 2007. Ich verschrie jede Art von Zucker und Fett (was noch nicht einmal besonders förderlich ist), obwohl diese Nährstoffe für mich als Hardgainer gar keine Probleme darstellten. Ich aß keinerlei Soßen, weigerte mich Schweinefleisch zu essen, aß nur noch Vollkornnudeln und Parboiled-Reis anstatt die normalen Sorten. Der Höhepunkt dieser krankhaften Essstörung war dann die Tatsache, dass den Magerquark mit max. 0,5 % Fett unter keinen Umständen essen wollte und nur den 0,2 % Quark zu mir nahm. War das nicht der Fall, fühlte ich mich unbeschreiblich schlecht. Besser aufbauen tat ich dadurch sicherlich auch nicht.

Diese Zwangsneurosen brachten natürlich immense Einschränkungen der Lebensqualität mit. Der Alltag ähnelte weniger dem des Lebens als dem einer Selbstgeißelung. Ständig kreisten meine Gedanken ums Essen, an einen ordentlichen Abschuss am Wochenende war nicht zu denken, sogar an Karneval blieb ich von meinem Gewissen gezwungen nüchtern. Im Nachhinein denke ich immer noch oft daran, wie viel vom Leben ich in dieser Zeit verpasst habe. Zu meinem Glück dauerte diese „Zeit der Selbstfindung“ nur ein Jahr und danach fasste ich mich wieder.

Heutzutage sehe ich die Trainings- als auch die Ernährungsfrage lockerer. Ich trainiere immer noch wesentlich intensiver als die meisten anderen Personen im Gym und auch meine Ernährung ist im Vergleich noch sehr strikt. Aber sie ist weniger zwanghaft und auch bei dem Training setzte ich mich nicht mehr dem enormen Druck des zwanghaften Progressionswillens aus. Ich habe keinen strikten Ernährungsplan mehr, sondern eher einen Pool aus Lebensmittel, aus denen ich immer auswähle. Ich achte darauf, genug Proteine, genug Vitamine, viele langkettige Kohlenhydrate und genug Gesamtkalorien aufzunehmen, aber wenn ich Lust auf etwas Bestimmtes habe, dann esse ich das auch. Und wenn es dann nach einiger Zeit einen besonderen Event gibt und ich einfach Lust auf Party & Saufen habe, dann fällt es mir auch nicht mehr schwer, den BB-Lifestyle mal auszuklammern. Genauso ist es beim Training. Anstatt zu versuchen, jede Trainingseinheit eine Gewichtsprogression herbeizuzwingen und in jedem Satz bis zum Muskelversagen, beziehungsweise sogar darüber zu trainieren, höre ich mehr auf meinen Körper und trainiere nach Gefühl. Erstaunlicherweise habe ich mit dieser neuen Vorgehensweise gleichgute, wenn nicht sogar bessere Muskelzuwächse, vor allem aber fallen mir mit dem neuen zwangbefreiten Training die Gewichtssteigerungen wesentlich leichter und ich kann schneller mehr Gewicht draufpacken.

Aber das Wichtigste ist, dass durch die Umstellung meine Lebensqualität merklich anstieg.

Dazu folgt mir folgender Satz ein, den ich mal in einem Internetforum gelesen habe: „Derjenige, der seinen Körper am besten kennt und ihn versteht, wird am meisten Muskelmasse aufbauen.“ Und ich finde, da ist was Wahres dran. Es ist jedoch nicht so, dass ich vollkommen “geheilt” bin, sondern ich ertappe mich immer wieder dabei, zu krankhaft zu denken und ermahne mich dann selbst.

In der zwanghaften Zeit fingen verständlicherweise auch die enormen Probleme mit meiner Familie an, welche bis heute andauern. Mit der Tatsache, dass dieser exotische Sport einen sehr wichtigen Teil in meinem Leben eingenommen hatte, kam vor allem meine Mutter nicht klar. Anstatt was „vernünftiges“ zu machen, wie zum Beispiel das Erlernen eines Instruments oder gemeinnützige Arbeit versuchte ich mit aller Macht schwerer zu werden. Dieser nicht unerhebliche Streitpunkt und natürlich noch weitere Aspekte führten schließlich dazu, dass sich meine Eltern und ich immer mehr von einander entfernten. Die vielen Streitereien und Schreiereien waren und sind immer noch schon eine enorme psychische Belastung. Die ganze familiäre Geschichte möchte ich hier jedoch nicht erzählen, weil sie einfach den Rahmen sprengen würde. Schmunzeln muss ich nur bei dem Gedanken, dass meine Mutter in der Zeit, die ich jetzt trainiere noch nicht einmal deswegen gelobt hat, beziehungsweise einen kleinen Funken von Stolz oder Anerkennung aufblitzen ließ.

Insgesamt kann ich sagen, dass Bodybuilding und alles was dazu gehört für mich viel mehr als nur ein bloßes Hobby ist. Es ist halt doch ein Fulltime-Job. Toll in meiner Position ist auch, dass Bodybuilding und meine Freundschaften miteinander verbunden sind. Ich habe viele Freunde, die auch mehr oder weniger intensiv trainieren und so kann man oft zusammen trainieren, zusammen kochen und Massephasen schieben, zusammen posen oder einfach nur blöd rumwitzeln.

Trotz aller negativen Aspekte und meinen nicht optimalen Vorrausetzungen bin ich froh, diesen Sport gefunden zu haben, der mich so erfüllt. Ich denke meine bisherige Trainingszeit hat mir auch viele Erfahrungen gebracht und sich positiv auf meine Persönlichkeitsentwicklung ausgewirkt. Kurz und bündig: Ich will den Sport nie mehr missen!

Im Moment wiege ich jetzt rund 100 kG bei 198cm, das sind 34 kG mehr als beim Trainingsanfang. Für meine Zukunft habe ich natürlich vor, weiterhin möglichst viel qualitative Masse aufzubauen, weiter Spaß am Training und allem Drumherum zu haben und natürlich gesund und natural zu bleiben.

Ich hoffe das Lesen meiner kleinen Geschichte hat dem ein oder anderen gefallen oder ihm geholfen, mir hat es auf jeden Fall Spaß gemacht!