Ich werde nicht auf diesen Zug aufspringen, sondern versuchen die Thematik möglichst nüchtern zu betrachten. Dazu werde ich nicht, wie sonst üblich, Studien mit chronisch kranken Alkoholikern unter die Lupe nehmen, sondern schauen, welche Auswirkungen moderater Alkoholkonsum auf den Trainingserfolg wirklich hat. Schließlich sind Sportler in den meisten Fällen auch in anderen Lebensbereichen gesundheitsbewusste Menschen. Mir bleibt schleierhaft warum immer wieder Extremen wie Alkoholiker als geeignete Vergleichsgruppe herangezogen werden.

Alkohol

Alkohol ist kein typischer Makronährstoff. Während Kohlenhydrate und Proteine je Gramm knapp 4 Kilokalorien (kcal) und Fett knapp 9 kcal liefern, schlägt 1g Alkohol zwar mit 7 kcal zu Buche, liefert aber keine Energie im eigentlichen Sinne. Das Sprichwort „7 Bier sind auch ein Schnitzel“ sollte also überdacht werden. Da es sich um keinen typischen Makronährstoff handelt, sind seine Mechanismen auch nicht vollständig ergründet. Zuerst einige Daten und Fakten um die folgenden Studien besser einschätzen zu können.

100ml Bier mit 5% Alkoholanteil enthalten ca. 4 Gramm reinen Alkohol.

100ml Wein mit 13% Alkoholanteil entsprechen 10,5g reinen Alkohol.

Ein halber Liter Bier enthält also knapp 20g Alkohol, eine 0,7l Flasche Wein rund 73,5g und eine 0,7l Vodkaflasche ca.234g. (1)

Schauen wir uns einige Behauptungen genauer an.

Ich habe gehört Alkohol macht dick. Stimmt das?

Oft ist vom Bierbauch die Rede. Teils wird das Übergewicht von Alkoholkonsumenten direkt auf den Alkoholkonsum geschoben, teils damit begründet, dass Alkohol den Appetit anregt und unter Alkoholeinfluss vermehrt stark Kalorienhaltige Nahrungsmittel gegessen werden. Schauen wir uns die wissenschaftliche Lage dazu an.

In einer Studie wurde untersucht, wie sich der Konsum von bis zu 24g Alkohol pro Tag auf die Makronährstoffaufnahme und Körperzusammensetzung aus wirkt. Obwohl die Alkohol Gruppe 16% mehr Kalorien zu sich nahm, gab es keine statistisch signifikanten Unterschiede in der Körperzusammensetzung. (2)

Interessanterweise konsumierte die Alkoholgruppe eine deutlich höhere Menge an Protein und Fett, verglichen zur Nicht-Alkoholgruppe. Wodurch die fehlende Zunahme an Körpergewicht bei der Alkoholgruppe zustande kam, lässt sich aber nicht so einfach klären. Einerseits könnte es methodische Probleme gegeben haben, weil nur der BMI und nicht separat die reine Muskelmasse gemessen wurde. Andererseits gibt es einige Hinweise auf eine Insulin-sensibilisierende Wirkung des Alkohols. (3,4,5)

Eine andere Studie kommt zu ähnlichen Ergebnissen: Man setzte übergewichtige Probanden auf eine 1500kcal Diät. Eine Gruppe bekam 10% ihrer Kalorien in Form von Weißwein, die andere in Form eines Saftes. Alle Probanden konnten einen Diäterfolg verzeichnen und es gab keine signifikanten Unterschiede zwischen den Gruppen, Tendenziell hat sogar die Alkoholgruppe besser abgeschnitten. (6)

Zusammenfassend kann man sagen, dass es zwar überstürzt wäre Alkohol als Diätmittel zu empfehlen, der komplette Verzicht darauf aber objektiv betrachtet nicht nötig ist, weil moderate Mengen Alkohol den Fettabbau nicht mindern. Zu diesem Ergebnis kommt auch eine groß Angelegte Meta-Analyse der National Health and Nutrition Examination Survey (7).

Wie greift Alkohol in das Endokrine System ein? Was passiert mit den Hormonen?

Testosteron, Estradiol, DHEA und HDL

In einer Studie tranken gesunde, Nicht-rauchende Männer und Frauen täglich 40 bzw. 30g Alkohol in Form von Bier. Die Versuche wurden in zwei Phasen zu je drei Wochen durchgeführt. Die Kontrollgruppe bekam während dieser Zeit alkoholfreies Bier. Das Testosteron sank bei der Alkoholgruppe um 6,8%, allerdings nur bei Männern, bei Frauen blieb es unverändert. Estradiol war bei beiden Geschlechtern unverändert. Gleichzeitig stieg das High Density Lipoprotein (HDL), also das „gute“ Cholesterin um 11,7% und das Dehydroepiandrosteron (DHEA) um 16,5%. Letzteres wird dafür verantwortlich gemacht das Risiko für Cardio-Vaskuläre Erkrankungen zu senken. (8)

Nach rund einem Liter Bier täglich sinkt also, wenn auch minimal, der Testosteronwert, während sich Estradiol nicht verändert und HDL/DHEA in eine tendenziell positive Richtung entwickeln.

Testosteron und Cortisol

Um die akuten Auswirkungen hoher Mengen Alkohols auf das endokrine System zu untersuchen, verabreichte man gesunden Männern in einer Periode von 26 Stunden eine Alkoholmenge von 256g (das entspricht mehr als einer Flasche Vodka).

Erstaunlicherweise war das Testosteron während der Alkoholphase signifikant höher. Cortisol blieb unbeeinflusst. (9)

Allerdings muss man hier die natürlichen Hormonschwankungen und die innere Uhr als Erklärungsansatz mit ins Boot holen. Langfristig wird so eine Alkoholmenge alles andere als das Testosteron erhöhen. Allerdings zeigt sich auch, dass es einen elementaren Unterschied zwischen akutem und chronischem Alkoholkonsum gibt. Kurzfristige hohe Mengen Alkohol lassen sich scheinbar weit besser verkraften als langfristiger, chronischer Konsum.

Melatonin

Dafür sprechen ebenfalls die Ergebnisse einer Untersuchung an gesunden Probanden. Man verabreichte ihnen innerhalb einer 24 Stunden Phase 256g reinen Alkohol und untersuchte die Auswirkungen auf das, für den Tag-Nachtrhythmus verantwortliche, Hormon Melatonin. Die innere Uhr war bei den Probanden, im Gegensatz zu chronisch kranken Alkoholikern, nicht gestört. (10)

Wachstumshormon, Cortisol, Alkohol vor Belastung

Bei der nächsten Studie wurde Alkohol direkt vor einem Fahrrad-Ergometer Test verabreicht und in kurzen Abständen alle relevanten Werte genommen. Bei Nicht- endokrinen Parametern wie Puls, Blutdruck, Sauerstoffverbrauch etc. blieben die Werte bei allen Gruppen gleich.

Bei der Gruppe, die 0,5g Alkohol pro kg Körpergewicht bekam, stiegen Wachstumshormon (GH) und Cortisol, während sie bei der 0,75g Gruppe signifikant sanken. Eine negative hormonelle Reaktion des Körpers auf Alkohol vor einer Anstrengung scheint also erst ab einer bestimmten Menge ein zu treffen. Vor dem Training zu trinken ist aber nicht all zu weit verbreitet.

Ich trinke nach dem Training gerne Mal ein wenig Bier. Wie schlimm kann das sein?

Auch das wurde untersucht. Man verabreichte gut trainierten Athleten nach Belastung (5 RM) 0,83g Alkohol/kg Körpergewicht nach dem Training und verglich in Regelmäßigen Abständen die Hormonellen Veränderungen mit den Kontrollgruppen.

Bei der Alkoholgruppe waren weder LH, Testosteron noch andere Werte im Vergleich zur Kontrollgruppe verändert. Lediglich Cortisol war minimal höher, was sich aber auch nach knapp drei Stunden ausgeglichen hat. (12)

Wenn man sich die Alkoholmenge anschaut, immerhin entspricht diese bei einem 75 kg schweren Sportler rund 1,5l Bier, könnte man zu der Erkenntnis gelangen, dass ein Bier nach dem Training keinen nennenswerten Unterschied macht.

Mein Arzt hat gesagt, ich solle auf jede Form von Alkohol verzichten um mein Immunsystem nicht zu belasten. Kein Wein mehr zum Abendessen?

Um diese Frage zu klären untersuchte man den Einfluss von 500ml 12%igem roten Wein bzw. Ethanol auf die Immunfunktionen gesunder Männer. Man maß zu verschiedenen Zeitpunkten die Immunfunkionen: direkt vor dem Konsum, eine, drei und 24h danach. Weder bei den Weintrinkern, noch beim reinen Alkohol gab es Unterschiede zur Kontrollgruppe. (13)

Moderate Mengen Alkohol scheinen also kurzfristig keinen negativen Einfluss auf das Immunsystem aus zu üben. Ein Karlsruher Team untersuchte praktisch mit dem gleichen Forschungsdesign (gleiche Menge Alkohol, gleiche Randbedingungen) die Auswirkungen über zwei Wochen – mit dem selben Ergebnis. (14)

Fazit

Moderater Alkoholkonsum scheint keine nennswerten negativen Folgen auf wichtige gesundheitliche Marker oder die Körperzusammensetzung zu haben. Allerdings will ich, wie schon in der Einleitung, darauf hin weisen, dass dieser Artikel moderaten Alkoholkonsum thematisiert. Chronischer Missbrauch und/oder hohe Mengen werden zwangsweise die oft beschriebenen negativen Folgen nach sich ziehen. Ich hoffe ich muss dazu keine Studien anführen, das würde den Rahmen mehr als Sprengen. Gegen ein Feierabendbier oder ein Glas Wein zum Essen ist aber auch aus wissenschaftlicher Sicht absolut nichts ein zu wenden.

Quellen

(1) Hessische Landesstelle für Suchtfragen http://www.hls- online.org/alkoholgehalt.html

(2) HW Gruchow, KA Sobocinski, JJ Barboriak and JG Scheller Alcohol consumption, nutrient intake and relative body weight among US adults American Journal of Clinical Nutrition, Vol 42, 289-295, Copyright © 1985 by The American Society for Clinical Nutrition, Inc

(3) M. McCarty Does regular ethanol consumption promote insulin sensitivity and leanness by stimulating AMP-activated protein kinase? Medical Hypotheses, Volume 57, Issue 3, Pages 405-407

(4) The insulin-sensitizing activity of moderate alcohol consumption may promote leanness in women Medical Hypotheses, Volume 54, Issue 5, Pages 794-797

(5) Aafje Sierksma, MSC12, Hamina Patel, MD3, Noriyuki Ouchi, MD4,Shinji Kihara, D, HD4, Tohru Funahashi, MD, PHD4,Robert J. Heine, MD, PHD5, Diederick E. robbee, MD, PHD2,Cornelis Kluft, PHD6 and Henk F.J. Hendriks, PHD1 Effect of Moderate Alcohol Consumption on Adiponectin, Tumor Necrosis Factor-?, and Insulin Sensitivity

(6) M Flechtner-Mors1, H K Biesalski1, C P Jenkinson2, G Adler3 and H H Ditschuneit3 Effects of moderate consumption of white wine on weight loss in overweight and obese subjects International Journal of Obesity (2004) 28, 1420–1426. doi:10.1038/sj.ijo.0802786 Published online 31 August 2004

(7) Ahmed A Arif1 and James E Rohrer* 2 1Texas Tech University Health Sciences Center, Department of Family & Community Medicine, Division of Health Services Research, Lubbock, TX, USA 2Mayo Clinic Family Medicine Program/Rochester, Department of Family Medicine, 406 West Main Street, Kasson MN, USA Patterns of alcohol drinking and its association with obesity: data from the third national health and nutrition examination survey, 1988–1994

(8) Aafje Sierksma, Taisto Sarkola, C. J. Peter Eriksson, Martijn S. van der Gaag,* Diederick E. Grobbee, Henk F. J. Hendriks Effect of Moderate Alcohol Consumption on Plasma Dehydroepiandrosterone Sulfate, Testosterone, and Estradiol Levels in Middle-Aged Men and Postmenopausal Women: A Diet-Controlled Intervention Study

(9) Danel T, Vantyghem MC, Touitou Y. Responses of the steroid circadian system to alcohol in humans: Importance of the time and duration of intake.

(10) Danel T, Touitou Y. Alcohol consumption does not affect melatonin circadian synchronization in healthy men.

(11) Coiro V, Casti A, Saccani Jotti G, Rubino P, Manfredi G, Maffei ML, Di Gennaro C, Melani A, Chiodera P. Effects of moderate ethanol drinking on the GH and cortisol responses to physical exercise.

(12) L. Perry Koziris1, William J. Kraemer2, Scott E. Gordon3, Thomas Incledon4, and Howard G. Knuttgen4 Effect of acute postexercise ethanol intoxication on the neuroendocrine response to resistance exercise J Appl Physiol 88: 165-172, 2000; 8750-758700 $5.00 Vol. 88, Issue 1, 165-172, January 2000

(13) Watzl B, Bub A, Briviba K, Rechkemmer G. Acute intake of moderate amounts of red wine or alcohol has no effect on the immune system of healthy men. Institute for Nutritional Physiology, Federal Research Centre for Nutrition, Haid-und-Neu-Str. 9, 76131 Karlsruhe, Germany.

(14) Watzl B, Bub A, Pretzer G, Roser S, Barth SW, Rechkemmer G. Daily moderate amounts of red wine or alcohol have no effect on the immune system of healthy men. Institute of Nutritional Physiology, Federal Research Centre for Nutrition, Karlsruhe, Germany