Die erste Kutsche wird von blinden Pferden gezogen

Viele Trainierende stecken das Training mit Gewichten und Cardiotraining in unterschiedliche Schubladen: Mit dem einen baut man ausschließlich Muskeln auf und mit dem anderen verbrennt man ausschließlich Fett. Ganz im Gegenteil kann Gewichtstraining im Vergleich zu Cardiotraining ähnliche Resultate liefern, wenn man den Energieverbrauch und die Oxidation von Makronährstoffen innerhalb von 24 Stunden misst [1]. Der offensichtliche Vorteil, den das Training mit Gewichten bietet, ist das höhere Potenzial für einen Zuwachs an Magermasse und Kraft. In Zusammenhang mit dem Bodybuilding sollte Cardiotraining lediglich als ein verbundener Trainingstyp für weiteren Energieverbrauch und als “Quer-Ergänzung” zu den typischen Adaptionen des Gewichtstrainings betrachtet werden. In wieweit Cardiotraining eine absolute Notwendigkeit für kardiovaskuläre Gesundheit darstellt… Nun ja, das hängt vom Gesamtvolumen und dem Ausmaß deines Krafttrainings ab. Anderes Thema für ein anderes Mal.

Die Chaostheorie schlägt wieder zu

Oberflächlich betrachtet scheint es logisch zu sein, die Kohlenhydrate vom Cardiotraining zu trennen, wenn man möchte, dass beim Training der maximale Grad an Fettoxidation eintritt. Aber hier besteht ein grundlegender Fehler - man fokussiert sich auf den Verbrauch eingelagerter Energie statt auf die optimale Aufteilung zugeführter Energie für einen maximalen lipolytischen Effekt, der rund um die Uhr andauert. Anders gesagt ist es ein besseres Ziel, die Kohlenhydratzufuhr auf die thermischen Spitzen deines Tages abzustimmen, zu deren Zeitpunkt die Insulinsensitivität sowie die Aufnahmefähigkeit der Magermasse für Kohlenhydrate am höchsten sind. Aus irgendeinem Grund wird diese Logik weder leicht akzeptiert noch wird sie verstanden. Wie wir wissen, arbeitet die menschliche Physiologie nicht immer nach den Gesetzen der Logik oder der öffentlichen Meinung. Hinterfragen wir deswegen die Wissenschaft kritisch hinter ihren Ansprüchen.

Lasst die Forschung sprechen

Kohlenhydrataufnahme bei niedrigintensivem Training reduziert die Fettoxidation

Vor bis zu drei Jahrzehnten beobachtete Ahlborgs Team, dass Kohlenhydrataufnahme während niedrigintensiven Trainings (25-45% VO2 max) die Fettoxidation im Vergleich zum nüchtern erreichten Level reduzierte. In einer aktuelleren Studie beobachtete De Glisezinskis Tea, ähnliche Ergebnisse bei trainierten Männern bei 50% VO2 max [3]. Es wurden Bemühungen angestellt, den Mechanismus herauszufinden, der hinter diesem Phänomen steckt. Coyles Team beobachtete, dass die Kohlenhydratverfügbarkeit bei 50% VO2 max die Fettoxidation direkt regulieren kann, indem sie einen Hyperinsulinismus (übernormale Insulinkonzentration im Blut) koordiniert, der den Transport von langkettigen Fettsäuren in die Mitochondrien hemmt [4].

Der Effekt von Kohlenhydraten auf die Fettoxidation bei moderat-intensivem Training hängt vom Trainingsstand ab

Civitareses Team entdeckte bei untrainierten Männern, dass Glukosezufuhr während des Trainings die Lipolyse abstumpft, indem sie die Genexpression verringert, die an der Fettoxidation beteiligt ist [5]. Wallis Team sah bei moderat trainierten Männern und Frauen eine unterdrückte Fettoxidation, als während des Trainings Glukose zugeführt wurde [6].

Im Gegensatz zu den oben angeführten Versuchen mit Trainingsanfängern und fortgeschrittenen Trainingsanfängern stellte Coyles Team zum wiederholten Male heraus, dass eine Kohlenhydrateinnahme während eines moderat-intensiven Trainings (65-75% VO2 max) die Fettoxidation bei trainierten Männern innerhalb der ersten 120 Trainingsminuten nicht verringert [7,8]. Interessanterweise wurde die Intensitätsgrenze nahe dem Bereich mit der höchsten Fettoxidation durch Kohlenhydratgabe nicht beeinflusst und blieb für die ersten zwei Stunden Training gleich.

Horowitz Team untersuchte den Effekt einer während des Trainings zugeführten hochglykämischen Kohlenhydratlösung auf moderat trainierte Männer, die sich einer eher niedrigen Trainingsintensität unterzogen (25% VO2 max) oder einer moderat bis höheren Intensität bei 68% VO2 max [9]. Dabei wurden ähnliche Ergebnisse wie bei Coyles Arbeit beobachtet. Die Versuchspersonen absolvierten eine zweistündige Fahrradtour und führten nach 30, 60 und 90 Minuten die Kohlenhydratlösung zu. Bei der niedrigintensiven Behandlung hat sich die Fettoxidation bis nach 80-90 Minuten nicht unter den Bereich der nüchternen Kontrollgruppe abgesenkt. In der 68%-Gruppe wurde kein Unterschied bei der Fettoxidation festgestellt unabhängig davon, ob die Versuchspersonen während des Versuchs nüchtern oder versorgt waren.

Febbraios Team untersuchte die Effekte von Kohlenhydratgabe vor und während des Trainings in einer der schlichtweg am besten angelegten Studien auf diesem Gebiet [10]. Die Versuchspersonen trainierten für zwei Stunden auf einem Intensitätslevel von 63% Vo2 max, der als der Punkt maximaler Fettoxidation beim Training bekannt ist. Resultat? Kohlenhydrate sowohl vor als auch während des Trainings verbesserten die Leistung - und es bestand bei der gesamten Fettoxidation kein Unterschied zwischen den nüchternen und versorgten Versuchspersonen. Trotz der erhöhten Insulinspiegel bei den kohlenhydratversorgten Gruppen bestand kein Unterschied in der Verfügbarkeit oder der Nutzung von Fett.

Zusammenfassung der Forschungsergebnisse

Bei niedrigen Intensitäten (25-50% VO2 max) können Kohlenhydrate während des Trainings die Fettoxidation im Vergleich zu den nüchternen Trainierenden verringern.

Bei moderaten Intensitäten (63-68% VO2 max) können Kohlenhydrate während des Trainings die Fettoxidation bei untrainierten Versuchspersonen verringern. Jedoch verringern sie diese nicht bei trainierten Versuchspersonen innerhalb der 80 bis 120 ersten Trainingsminuten.

Kohlenhydrate während des Trainings schonen Leberglykogen, welches zu den entscheidendsten Faktoren für einen Antikatabolismus bei unzureichender Kalorienzufuhr oder anderen Stressbedingungen für den Stoffwechsel gehört.

Beim festgelegten Spitzenlevel für Fettoxidation (~63% VO2 max) verbessern Kohlenhydrate die Leistung, ohne dabei die Fettverbrennung bei den Versuchspersonen in irgendeiner Weise zu unterdrücken.

Quellen

  • 15. Ahlborg, G., and P. Felig. Influence of glucose ingestion on fuel-hormone response during prolonged exercise. J. Appl. Physiol. 1976;41:683-688.
  • 16. De Glisezinski I, et al. Effect of carbohydrate ingestion on adipose tissue lipolysis during long-lasting exercise in trained men. J Appl Physiol. 1998 May;84(5):1627-32.
  • 17. Coyle EF, et al. Fatty acid oxidation is directly regulated by carbohydrate metabolism during exercise. Am J Physiol. 1997 Aug;273(2 Pt 1):E268-75.
  • 18. Civitarese AE, et al. Glucose ingestion during exercise blunts exercise-induced gene expression of skeletal muscle fat oxidative genes. Am J Physiol Endocrinol Metab. 2005 Dec;289(6):E1023-9.
  • 19. Wallis GA, et al. Metabolic response to carbohydrate ingestion during exercise in males and females. Am J Physiol Endocrinol Metab. 2006 Apr;290 (4):E708-15.
  • 20. Coyle, et al. Muscle glycogen utilization during prolonged strenuous exercise when fed carbohydrate. J. Appl. Physiol. 1986;6:165-172.
  • 21. Coyle, et al.. Carbohydrates during prolonged strenuous exercise can delay fatigue. J. Appl. Physiol. 59: 429-433, 1983.
  • 22. Horowitz JF, et al. Substrate metabolism when subjects are fed carbohydrate during exercise. Am J Physiol. 1999 May;276(5 Pt 1):E828-35.
  • 23. Febbraio MA, et al. Effects of carbohydrate ingestion before and during exercise on glucose kinetics and exercise performance. J Appl Physiol. 2000 Dec;89(6):2220-6.