Bodybuilding ist ein Sport, der oft sehr perfektionistisch betrieben wird: Da wird die Ernährung und Training stundenlang bis ins letzte Detail durchgeplant, aber eines wird zu gerne vergessen: Frauen haben eine wunderbare Möglichkeit ihr Training an die eigene Hormonproduktion anzupassen und damit wesentlich effektiver zu gestalten.
Der Mythos: Testosteron - The one and only
Gewohnheitsmäßig wird angenommen, dass das männliche Sexualhormon als einziges muskelwachstumsfördernd ist. Das stimmt so nicht!
Östrogen ist ein sehr anabol wirkendes Hormon, ob es jedoch direkte Wirkungen am Skelettmuskel hat, ist noch nicht klar. Fest steht jedoch, dass sowohl der Östrogen- als auch der Androgen- und Progesteron- Rezeptor im seitlichen vorderen Oberschenkelmuskel bei Sportlerinnen zu finden sind und Östrogenrezeptoren am Muskel im Tierversuch als Trainingseffekt verstärkt experimentiert werden.
Weitgehend zyklusunabhängig scheinen dagegen die Blutkonzentrationen des anabolen männlichen Geschlechtshormons Testosteron zu sein, das in den Eierstöcken und auch in den Nebennieren der Frau gebildet wird. Auch hier gibt es bisher keine Angaben zur biologisch aktiven freien, d.h. nicht an Transport- Eiweiße gebundenen Fraktion des Hormons. Das gilt auch für anabole Wirkungen von Androgenen unter normalen, nicht überhöhten Konzentrationen sowie bei belastungs- und zyklusphasenabhängigen Konzentrationsschwankungen. Natürliche Androgene spielen jedoch bei der Adaptation an das Krafttraining bei Frauen eine Rolle. So führte ein mehrwöchiges Krafttraining bei jungen Frauen zu einer Zunahme der Grundkonzentration von DHEA, einem weiteren anabolen – dem Testosteron verwandten – Steroidhormon.
Auf jeden Fall hat Östrogen aber zwei wesentliche indirekte Wirkungen:
- Es verstärkt die Insulinwirkung und dessen proteinanabole Wirkung am Skelettmuskel
- Es stimuliert die Freisetzung von Wachstumshormonen (IGF) aus der Hypophyse und Leber
und wirkt sich im Zuge dessen positiv auf die Leistungsfähigkeit und Trainierbarkeit aus.
Untersuchungen an kastrierten Ratten, welche ein 10- wöchiges Schwimmtraining über sich ergehen lassen mussten, haben sogar gezeigt, dass weibliche Tiere, die Östrogene erhielten, wesentlich traininerbarer waren als männliche, die Testosteron oder Testosteron + Östrogen bekamen.
Der Haken an der Sache: Progesteron
Neben Östrogen spielt auch Progesteron eine entscheidende Rolle im weiblichen Menstruationszyklus, jedoch wirkt es an vielen Stellen katabol oder es antagonisiert die anabole Wirkung des Östrogens.
Zwar spielen auch andere Hormone eine wichtige Rolle im Zyklus, bezüglich des Proteinanabolismus verhalten sie sich aber gleichsinnig zu den Hormonen Östrogen und Progesteron und können demnach vernachlässigt werden.
Östrogen, Progesteron und der Menstruationszyklus
An dieser Stelle möchte ich nur auf die bezüglich der Thematik relevanten Hormone und Vorgänge eingehen.
Die Folikelphase oder auch Eireifungsphase umfasst den Zeitraum, in dem einer der zahlreichen Eier (Folikel) in den Eierstöcken (Ovarien) zu einem sprungreifen Folikel, dem Graaf-Folikel, heranreift. Die Folikelphase dauert etwa 10-14 Tage, beginnt mit der Menstruationsblutung und endet mit dem Eisprung. Während dieser Phase ist der Östrogenspiegel zunächst gering, steigt aber kontinuierlich an. Der Progesteronspiegel hingegen ist sehr sehr gering.
Auf die Folikelphase folgt der Eisprung (Ovulation), an den sich die Lutealphase anschließt. Sie ist nach dem Corpus Luteum, dem Gelbkörper, benannt, welcher nach dem Eisprung aus dem Graaf-Folikel entsteht. Sie dauert ~ 14 Tage und endet mit der Menstruationsblutung, welche die frühe Folikelphase einleitet, womit sich der Zyklus schließt. Während der Lutealphase sind die Östrogenspiegel zwar hoch, aber die Progesteronspiegel auch, da der Gelbkörper Progesteron im hohen Maße ausschüttet.
Es liegt also die Vermutung nahe, dass die Adaptationsmöglichkeiten der Muskulatur in der Folikelphase größer sind als in der Lutealphase, weil in der Folikelphase nur Östrogen und kein Progesteron vorhanden ist.
Studien
Studie 1
Verglichen wurde unter anderem die Entwicklung der Maximalkraft bei Folikelphasenbetontem Training (FT) im Gegensatz zu Nicht-Folikelphasenbetontem Training (NFT) bzw. Entgegengesetzt-Folikelphasenbetontem Training (EFT).
FT : Jeden 2. Tag Training in der Folikelphase und jeden 4. Tag Training in der Lutealphase
NFT: Jeden 3. Tag Training über den gesamten Zyklus
EFT: jeden 4. Tag Training in der Folikelphase und jeden 2. Tag in der Lutealphase
Bei FT waren die Kraftzuwächse über 2 Monate etwa doppelt so hoch (!!!) wie bei NFT und EFT, nämlich 32,6% anstatt 13,7% im ersten Versuch und 31,5% anstatt 17,2% im zweiten.
Studie 2
Genexpression als Antwort auf Belastungseffekte wird bei Skelettmuskelzellen auch durch sog. schnell reagierende Faktoren induziert. Zu diesen Faktoren gehört das sog. c-fos – ein Protein, welches andere, nachgeschaltete Eiweiße stimuliert und somit die Reaktion des Muskels auf das Training einleitet. In einer Studie mit Sportstudentinnen zeigte sich, dass es bereits nach einer Stunde Ausdauerbelastung auf dem Fahrradergometer sowie einer Stunde Ganzkörperkrafttraining zur Bildung von c-fos im Skelettmuskelgewebe des Musculus vastus lateralis kommt. Offensichtlich setzen Adaptationsprozesse sehr schnell nach Belastung ein. Trotz identischer Belastungsdauer und -intensität lag die c-fos-Expression in der Follikelphase deutlich höher als in der zweiten Zyklushälfte. Dies deutet auf eine ausgeprägtere Adaptation an Belastungsreize in der ersten Zyklusphase hin.
Fazit fürs eigene Training
Es liegt also Nahe sein Training so auszurichten, dass in der Folikelphase etwa 2 Wochen lang intensiv trainiert wird und sich daran eine etwa 2- wöchige Regenerationsphase anschließt.
Bedingung für einen zyklusorientierten Trainingsplan ist allerdings, dass man nicht hormonell verhütet und seinen Zyklus einigermaßen kennt. Am besten notiert man sich hierfür
- wann man seine Tage bekommt und
- wie die Körpertemperatur im Laufe des Zyklus schwankt, ab dem Eisprung steigt diese nämlich im ~0,5°C an. Am besten misst man hierfür jeden Morgen um dieselbe Zeit unter gleichen Umständen.
Wie das am besten für jeden persönlich funktioniert muss man wohl herausfinden. In der Studie wurde ein und derselbe Muskel in der Folikelphase jeden 2. und in der Lutealphase jeden 4. Tag trainiert, was sicherlich kein schlechter Ansatz ist.
Es ist auf jeden Fall unverhältnismäßig die natürlichen Schwankungen im Hormonzyklus in der Trainingsplanung zu ignorieren, gleichzeitig aber jedes bisschen an Leistung mittels unzähliger Supps, ausgeklügeltem EP und TP etc. (…) herauskitzeln zu wollen.
Ausblick und eine weitere Pilotstudie
International liegen leider bisher keine weiteren Untersuchungen vor bezüglich des Zusammenhanges zwischen Menstruationszyklus und Trainierbarkeit (Stand 2008 ).
Zitat Prof. Dr. med. Petra Platen, Sportmedizin und Sporternährung, Fakultät für Sportwissenschaft:
“Eine solche Studie wird aber derzeit von den beiden Doktorandinnen Ahreum Han und Eunsook Sung am Lehrstuhl für Sportmedizin und Sporternährun der Ruhr- Universität mit 60 Probandinnen realisiert. Die bisherigen Ergebnisse deuten auf Unterschiede in der Belastungsadaptation in Abhängigkeit von der jeweiligen Phase des Menstruationszyklus bei Sportlerinnen hin. Sollten sich diese Befunde durch die aktuellen umfangreichen Untersuchungen bestätigen lassen, dann hätte das ein völliges Umdenken in der Periodisierung des Trainings von Sportlerinnen zur Folge: Die bisher üblichen Mikro- und Makrozyklisierungen als wochenweise Trainings- und Regenerationsphasen (z.B. 3 Wochen Training/1 Woche Regeneration) dürften dann durch ein individuell am jeweiligen Menstruationszyklus der Sportlerin ausgerichtetes Training ersetzt werden. […] So könnten etwa regenerative Prozesse entsprechend dem biologischen Rhythmus effektiver in der Lutealphase ablaufen.”
Vor dieser größer angelegten Studie wurde eine Pilotstudie mit 2 Probandinnen vorangestellt:
“Die Sportlerinnen führten ein Krafttrainingsprogramm an Kraftmaschinen durch, “wobei die Muskeln beider Körperhälften jeweils zeitlich versetzt in der “Follikelphase (rechte Körperhälfte) bzw. in der Lutealphase (linke “Körperhälfte) trainiert wurden. Der Trainingszeitraum betrug drei Monate (3 “Menstruationszyklen). Neben der maximalen statischen Muskelkraft (Druck gegen “eine feste Platte) bestimmten wir per Ultraschall die Durchmesser ausgewählter “Muskeln und analysierten das Muskelfaserspektrum und die Muskelfaserdicke “anhand von Gewebeproben, die wir zuvor per Muskelbiopsie aus dem Musculus “vastus lateralis entnommen hatten.
Die wesentlichen Ergebnisse dieser Pilotstudie sind: Bei beiden Probandinnen nahm die Maximalkraft nach dem Training des rechten Beins in der Follikelphase gegenüber dem Training des linken Beins in der Lutealphase deutlich zu [Probandin1: FT +210N, LT + 93; Probandin 2: FT + 160N, LT + 95N (Anmerkung der Autrorin)] Auch die Zunahme der Muskeldicke war bei beiden Probandinnen bei einem Training in der Follikelphase ausgeprägter. Bei beiden Probandinnen erhöhte sich bei „Follikelphasentraining“ der Durchmesser der 3 Fasertypen (Typ I, Typ IIa, Typ IIb), während er bei Training in der Lutealphase bei allen Fasertypen – bis auf die Typ IIb-Muskelfasern bei einer Probandin (P2) – abnahm.
Diese ersten Ergebnisse der Pilotstudie weisen genau in Richtung der postulierten Hypothese und bestärkten uns darin, die Ergebnisse mit einer größeren Gruppe von Probandinnen abzusichern.”
Quellen
Elisabeth Reis: “Menstruationszyklus gesteuertes Krafttraining” - Schriftenreihe des Bundesinstituts für Sportwissenschaften Band 88
RUBIN Wissenschaftsmagazin der Ruhr-Universität Bochum 08
G.J Tortora & B.H. Derrickson: “Anatomie und Physiologie”