Jeder Mensch besitzt die Fähigkeit, die eigenen Muskeln willentlich anspannen zu können. Fähigkeiten haben es nun mal an sich, dass man sie trainieren und dadurch optimieren kann. Je öfter und bewusster man dies macht, desto mehr programmiert man auf diese Weise das eigene Unterbewusstsein dahingehend, diese Fähigkeiten dauerhaft und beständig auszuführen und nicht nur, wenn man bewusst daran denkt. Auf diese Weise können Fähigkeiten zu beständigen Begleitern des eigenen Handelns werden und dieses dadurch in seiner Qualität aufwerten.

Auch im Krafttraining und insbesondere bei der Ausführung einzelner Übungen gehört eine qualitativ hochwertige Technik zum non plus ultra eines erfolgreichen Trainings.

Worauf kommt es bei der perfekten Technik an?

Die perfekte Technik steht und fällt mit der richtigen Aktivierung der einzelnen Muskeln, sowie deren Wechselspiel zum rechten Zeitpunkt.

Eine derartige Perfektion fällt einem nicht einfach so in den Schoß und man kann sie auch nicht im Internet kaufen. Selbst ein guter Trainer ist kein Garant dafür, dass man sie erlernt.

Bei der perfekten Technik kommt es vor Allem auf zwei Punkte an:

  • Man muss wissen, welche Muskeln bei welcher Übung wann aktiviert werden müssen.
  • Man muss diese Muskeln auch willentlich aktivieren können.

Wie man den 2. Punkt lernen kann, wurde ja bereits in meinem Artikel Muskel- Beherrschung durch Willenskraft dargelegt.

Das Wissen, dass man sich für den 1. Punkt erwerben muss, erlangt man primär aus einem guten Körpergefühl und entsprechender Literatur. Als Einführung lässt sich hier der Muskel-Guide von Frédéric Delavier empfehlen. Des Weiteren lohnt sich eine Auseinandersetzung mit tiefer gehender Literatur, die die einzelnen Übungen en détail beschreiben und erklären, wie z.B. in Starting Strength von Mark Rippetoe. Wer sich darüber hinaus ein noch profunderes Wissen zu diesem Thema aneignen möchte, ist mit einem der Klassiker der funktionellen Anatomie, wie z.B. von Kurt Tittel, gut beraten.

Doch was bringt mir dieses Wissen für mein Training?

Wenn man beginnt, sich mit diesem anatomischen Grundwissen zu beschäftigen, merkt man sehr schnell, dass für eine kontrollierte Bewegung nicht nur die hauptsächlich arbeitenden Muskeln, die Agonisten, sondern auch deren Gegenspieler, die Antagonisten eine bedeutende Rolle spielen. Zusätzlich werden die Agonisten in ihrer Bewegung auch noch durch weitere Muskeln, den sog. Synergisten, unterstützt.

Die perfekte Technik hängt somit von dem harmonischen Zusammenspiel der Agonisten, Synergisten, sowie Antagonisten ab.

Damit man dies lernen kann, ist es absolut notwendig, dass man all diese verschiedenen Anspannungen und deren Akzentuierungen bewusst im eigenen Training umsetzt.

Nicht zu selten liegen die Stagnation im Training, sowie Verletzungen und auch der schlechte Ruf einer Übung nämlich in einer schlechten Technik begründet.

Wie gehe ich nun praktisch vor?

Grundlegend kann man von Folgendem ausgehen:

Wenn man beim Ausführen einer Übung mit submaximalem Widerstand irgendwo ins Stocken gerät, einem unförmigen/abgehackten Bewegungsablauf folgt oder Schmerzen hat, dann liegt es in einem Großteil der Fälle an einer Technik, die des Verbesserns würdig ist. Dementsprechend sollte man Trainingspartner immer nach derartigen Auffälligkeiten befragen und zusätzlich verstärkt an der Bewusstwerdung der eigenen Körperwahrnehmung (der sog. Propriozeption) arbeiten.

Oft spürt man auch selbst, wenn es irgendwo bei der Übungsausführung hakt, wenn man sich auf diese konzentriert. Derartige Anzeichen darf man nicht ausblenden. Wenn dies nämlich geschieht, programmiert sich der falsche Bewegungsablauf ein, lässt sich so schnell nicht wieder ausbügeln und wird einem über kurz oder lang Schaden zufügen.

Zwei praktische Beispiele

Nun wollen wir einmal zwei Beispiele durchgehen, die sehr gut verdeutlichen, wie man die eigene Technik perfektionieren kann, indem man nicht nur auf die bewusste Aktivierung der Agonisten achtet, sondern auch noch zusätzlich die der Synergisten und Antagonisten miteinbezieht:

Bankdrücken

Setz Dich bitte nun aufrecht hin und führe einmal rein intuitiv die Bewegung des Bankdrückens – wenn vorhanden am besten mit einem Stab oder einem Besenstiel – durch, ohne dabei gezielt auf die Anspannung irgendwelcher Muskeln zu achten.

Wenn Du dies gemacht hast, beginnen wir nun einmal damit, bewusst die Antagonisten dieser Bewegung in das Geschehen miteinzubeziehen – und zwar Schrittweise; wer nämlich zu viele Schritte auf einmal machen will, wird fast immer stolpern.

Beginnen wir mit der Aktivierung des Trapezius (auch Kapuzen- oder Kappenmuskel genannt):

Setz Dich wieder aufrecht hin und nimm eine kleine Brücke ein. Leite nun die negative Phase der Bewegung ein, indem Du Deinen Trapezius maximal kontrahierst, so dass sich die Schulterblätter einander annähern, während Du gleichzeitig die Ellenbogen nach hinten führst.

Wenn Du dies nun richtig gemacht und einige Male wiederholt hast, wirst Du merken, dass auf diese Weise sich die Ellenbogen fast wie von Geisterhand geführt in einer sehr stabilen Bahn nach hinten bewegen.

Da der Rücken beim Bankdrücken nunmal auf einer Bank liegt und somit nicht so beweglich ist, wie bei unserem Versuch, muss der Trapezius kontrahiert werden, bevor man die Hantel aufnimmt und über den gesamten Satz angespannt bleiben.

Erst wenn man dies schafft, hat man ein stabiles Fundament für eine sauberen und sicheren Bewegungsablauf beim Bankdrücken. Schließlich bewegen sich die Arme in den Schultergelenken und wenn diese kein festes Fundament haben, kann die gesamte Bewegung der Arme auch nicht stabil sein. Ein solides Fundament ist jedoch absolut notwendig, um eine effiziente Kraftübertragung auf die Hantel gewährleisten zu können. Also bau bei jeder Übung ein entsprechendes Fundament auf. Wenn Du dies nicht schaffst, kannst Du auch gleich auf einem Sofa oder einem Schaumstoffboden trainieren – der Effekt wäre nämlich der Gleiche.

Im zweiten Schritt wollen wir auch die Aktivierung des Latissimus miteinbeziehen:

Setz Dich bitte wieder aufrecht hin, spanne den Trapezius möglichst stark an und fixiere ihn. Spanne nun den Latissimus an (ähnlich einer Latissimuspose) und bewege gleichzeitig die Ellenbogen nach hinten – es erleichtert die Ausführung, wenn man sich dabei vorstellt, man würde vorgebeugtes Rudern mit pronierter Handstellung ausführen.

Die zusätzliche Stabilisierung durch den Latissimus trägt sehr viel zu einer kontrollierten negativen Phase beim Bankdrücken bei.

Spätestens an diesem Punkt merkt man, dass man durch die bewusste Aktivierung der Antagonisten die jeweilige Bewegung unterstützen und somit auch verstärken kann. Antagonisten können somit auch immer synergistisch wirken. Wer diesen Effekt für sich nutzen kann, wird im eigenen Training nur durch eine bessere Technik von heute auf morgen einiges mehr an Gewicht bewegen können, schlichtweg einfach, weil er von nun an mehr Muskelfasern ins Spiel bringt.

Doch hier ist bei der negativen Phase bei weitem nicht Schluss. Ein bewusst aktivierter Latissimus trägt ebenso wie der Trapezius enorm zu einer kontrollierten und starken positiven Bewegungsphase bei:

Versuche zu diesem Zweck einmal auch die positive Phase mit dem Latissimus zu unterstützen – das viel zitierte ‘aus dem Lat drücken’.

Es lässt sich schwerlich in Worte fassen, wie man dies bewerkstelligen soll, aber durch ein wenig Ausprobieren erlangt man schnell das richtige Gefühl für diesen Bewegungsablauf. Man sollte dabei immer versuchen, aus den Achseln heraus zu drücken und nicht aus den Schultern.

Also immer schön Trockenübungen machen – für eine perfekte Technik sind sie das A und O!

Ähnlich wie bei der Anspannung des Trapezius lohnt es sich also, auch den Latissimus während des gesamten Satzes unter Spannung mitarbeiten zu lassen.

Im dritten Schritt nehmen wir nun den Bizeps hinzu. Ja, selbst dieser relativ kleine und doch für viele so enorm große Muskel kann hier aktiv die Bewegung stabilisieren, stärken und dadurch sogar noch mit schwerem Gewicht trainiert werden.

Probieren wir es gleich mal aus:

Aufrecht sitzen – eine leichte Brücke aufbauen – Trapezius und Latissimus anspannen und dann ganz bewusst den Bizeps bei der negativen Bewegungsphase miteinbeziehen.

Spürst Du die Rundum-Stabilität, die Du durch diese umfassende Sicherung der angespannten Antagonisten erhältst?

Ein unachtsamer Studiowanderer, der gegen Deine Hantel stößt, wird jetzt viel weniger Schaden hervorrufen, da Du in Deiner Ausführung viel sicherer und stabiler geworden bist.

Doch hier ist noch lange nicht Schluss. Im vierten Schritt befassen wir uns mit einem ganzen Haufen von Synergisten, nämlich den Unterarmmuskeln. Diese können unsere Leistung auf der Bank auf dreierlei Weisen unterstützen:

Die erste ist jedem bekannt und selbstverständlich:

Die Unterarmmuskeln halten durch die Hand die Hantel und stabilisieren diese damit.

Die zweite ist bereits weniger bekannt:

Je stärker man die Unterarmmuskeln kontrahiert, desto stärker kontrahieren sich auch alle anderen an der Bewegung beteiligten Muskeln. Dieser Effekt wird als Hyperirradiation bezeichnet und führt dazu, dass wir noch stärker und sicherer in unserer Bewegung werden.

Auch diesen Effekt sollten wir direkt jetzt einmal praktisch üben.

Erst noch einmal mit lockerer Handhaltung:

Aufrecht sitzen – eine leichte Brücke aufbauen – Trapezius, Latissimus & Bizeps anspannen und ein paar saubere und kontrollierte Wiederholungen mit offenen Händen durchführen.

Bereits hier wirst Du den Effekt der Hyperirradiation spüren. Es ist nämlich gar nicht so einfach, die Unterarmmuskeln zu entspannen, wenn man bereits Trap, Lat und den Bizeps angespannt hat.

Und nun machen wir das ganze nochmal und drücken dabei unsere Hände so fest wie nur irgend möglich zusammen. Spürst Du die zusätzliche Kraft, die durch Deinen gesamten Oberkörper strömt?

Und hier ist mit dem Potential der Unterarmmuskeln noch lange nicht Schluss. Die dritte Weise, auf die sie uns nämlich unterstützen können, wird uns insbesondere in der positiven Bewegungsphase von großem Nutzen sein:

Zu diesem Zweck ist es nicht nur notwendig, die Hantel zu zerquetschen. Wir sollten auch noch zusätzlich versuchen, die Hantel zu zerbrechen. Auf diese Weise wird der Latissimus wiederum verstärkt aktiviert und die Drückbewegung noch mehr stabilisieren und mit seiner Stärke unterstützen.

Probier es gleich jetzt aus:

Alles wie gehabt: Aufrecht sitzen – Brücke bauen – Trap, Lat, Biz und Unterarme anspannen und wenn Du nun in die positive Phase gehst, versuche die Hantel zu zerbrechen und verspüre dabei, wie Dein Lat richtiggehend aufblüht.

Wer nämlich richtig zu drücken weiß, trainiert auch seinen Lat ordentlich mit. Es passiert nicht zu selten, dass man nach einer anstrengenden Drückereinheit einen ordentlichen Muskelkater im Rücken hat.

Als vorerst letzter Schritt soll hier erwähnt sein, dass auch unsere Atmung durch best. Muskeln gesteuert wird und dass auch diese für das Erlernen einer perfekten Technik von enormer Bedeutung sind:

Viele Bankdrücker verfallen bei ihrer Übungsausführung in eine tiefe Brustatmung. Zusätzlich legen sie die Hantel viel zu weit oben auf der Brust ab, wodurch der Latissimus nicht zur Geltung kommen kann und somit nicht die volle Stabilität gewährleistet ist. Volle Stärke wird man jedoch nur entfalten können, indem man sich eine tiefe Bauchatmung angewöhnt und die Hantel auch in Richtung untere Brust, oberer Bauch absenkt. Schließlich kann man auch nur so aus den Achseln drücken.

Aber probier es doch – jetzt – einfach mal selbst aus:

Besinn Dich wieder auf die vorherigen Schritte und deren Durchführung und mache erst ein paar Luftwiederholungen mit Brustatmung und dann ein paar saubere, stabile und kraftvolle mit tiefer Bauchatmung.

Für mich fühlt sich der Unterschied gewaltig an. Ich hoffe bei Dir trifft dies auch zu. Die Power die man aus einer tiefen Bauchatmung holen kann, ist einfach enorm.

Hier soll erstmal die Auseinandersetzung mit der Technik des Bankdrückens beendet werden. Dies ist somit bei weitem keine vollständige Darlegung des richtigen Bankdrückens. Viele weitere wichtige Punkte, wie z.B. die beständige Aufrechthaltung der Unterarme im rechten Winkel zum Boden, sollen hier erstmal nicht weiter ausgeführt werden.

Primär geht es hier schließlich darum, einmal die Aufmerksamkeit auf die willentliche Miteinbeziehung der Antagonisten und der Synergisten, sowie deren unermesslichen Nutzen für eine möglichst perfekte Technik zu lenken.

Weitere Schritte obliegen nun Dir. Selbst beim Bankdrücken liegt noch enormes Technikpotential verborgen. Schließlich haben wir uns bis jetzt nur mit dem Oberkörper beschäftigt. Wer sich jedoch auf den Effekt der Hyperirradiation besinnt und die Power unseres Unterkörpers, sowie dessen Muskeln bedenkt, wird nachvollziehen können, dass nur durch die richtige Einbeziehung und Aktivierung dieser noch einiges an Stärke- und Stabilisierungspotential fürs Bankdrücken entfesselt werden kann.

Als zweites praktisches Beispiel und zur Verdeutlichung, dass man sich bei jeder Übung derartige Gedanken machen kann, soll nur ganz kurz die Kniebeuge angesprochen werden. Bei dieser wird jedoch nur eine der vielen Möglichkeiten vorgestellt, um hier den Rahmen nicht zu sprengen: Steh bitte einmal kurz auf und mache ein paar ganz normale Kniebeugen, ohne dabei viel an den Bewegungsablauf zu denken.

Und nun wiederhole das Ganze einmal und spanne dabei bereits bei der negativen Phase Deine Beinbizepse an. Der zusätzliche stabilisierende und dadurch auch verstärkende Effekt wird enorm sein.

Fazit

Das soll es aber auch schon für heute gewesen sein. Ich hoffe, dass ich Dir ein wenig bewusst machen konnte, dass in der bewussten Fokussierung auf die richtige Technik ein enormes Potential schlummert. Wer sich mental damit beschäftigt und viele viele Trockenübungen ausprobiert, wird das eigene Training mit schweren Gewichten nicht nur kurz-, sondern auch langfristig effizienter, stabiler, sicherer, gesünder und stärker ausführen können.

Dieses mentale Programm der Fokussierung auf die perfekte Technik sollte eigentlich die Grundlage jeglichen Trainings sein und beständig bei jeder einzelnen Wiederholung im Hintergrund – sprich unterbewusst – ablaufen, denn bereits eine einzige unachtsame Bewegung kann beim Krafttraining eine zu viel sein.